Die KPÖ bot ihre "Ikone" Ernest Kaltenegger auf, FPÖ-Politikerin Susanne Winter beharrte auf ihren Islam-Aussagen. Bürgermeister Siegfried Nagl machte sich rar.

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Graz, Herrengasse, Freitag, 10.30 Uhr. Noch zwei Tage bis zur Gemeinderatswahl. Seltsam: Hier in der City wird nicht zwingend das Gefühl vermittelt, dass am Sonntag rund 200.000 Wahlberechtigte die Weichen in der Stadt neu stellen werden. Nur vereinzelt sind Wahlkämpfer anzutreffen.

Beim Eisernen Tor, dort, wo der Marien-Kunst-Lift stand, verteilt Ernest Kaltenegger Äpfel. "Jetzt ist auch der Chef da", ruft ein Passant herüber. Obwohl alle Umfragen seiner Partei einen Absturz von den 20-Prozent-Höhen voraussagen, ist Kaltenegger, der zwar jetzt im Landtag sitzt, heute aber den Grazer Genossen mit seinem bekannten Gesicht aushilft, zuversichtlich. Die KPÖ sei schon zu sehr verankert, glaubt er. Tatsächlich war die Partei zuletzt tief in rote und schwarze Bastionen eingebrochen. In der Innenstadt kam die KP auf 26, die SPÖ auf magere 15,6 Prozent. Auch in den bürgerlichen Bezirken wie Leonhard oder Geidorf wurde die KPÖ zur zweitstärksten Partei. Viele (Protest-)Stimmen waren 2003 von der FPÖ zur KPÖ gewandert.

Hundert Meter vom KP-Standl entfernt Richtung Hauptplatz verteilt FP-Politikerin Susanne Winter ihr Werbematerial, als sei nicht geschehen. Dass ihre Mohammed-Beschimpfungen ("Kinderschänder") wütende in- und ausländische Reaktionen ausgelöst haben, will sie bis heute nicht verstehen. Winter zum Standard: "Ich brauche keinen Rückzieher machen, ich hab's ja nicht bös' gemeint." Sie habe "keinen Bezug" dazu, dass sie nun auch international im Scheinwerferlicht stehe. Sie werde bei der heutigen Großkundgebung mit Parteichef Heinz-Christian Strache am Grazer Hauptplatz, "noch einmal alles genau erklären".

Winter, die am Info-Stand deutlichen Zuspruch erhält, kann vor allem auf die großen Arbeiterbezirke mit hohem Ausländeranteil, wie Lend oder Gries, setzen. Allein dort sind 20 Prozent der Wähler zuhause. 2003 kam die FP auf acht Prozent. 1998 waren es noch 30 Prozent.

Schräg gegenüber in der Herrengasse schüttelt Erzrivale Gerald Grosz vom BZÖ Passanten Hände. Er versucht es mit Gratis-Schnitzelsemmeln. Am Hauptplatz lässt Walter Ferk, SPÖ-Herausforderer, die Bühne für den Schlussevent aufbauen. Links und rechts überdimensional sein Konterfei mit der letzten Botschaft: "Ich will mehr für Graz."

Er hat zuletzt mit 26 Prozent das historisch schlechteste SP-Ergebnis eingefahren. Verliert er nochmal, will Ferk zurücktreten. Ein bissl verloren, abseits vom Rummel, verteilen die Grünen auf der zugigen, kalten Hauptbrücke ihr PR-Material. Bleibt beim vormittägigen Lokalaugenschein die Frage: Wo ist eigentlich ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl? (Walter Müller/DER STANDARD, Printausgabe, 19.1.2008)