Konstantin Gropper, FM4-Fan und Sänger der Berliner Band Get Well Soon, bei seinem Geburtstagsständchen im großen Saal der Wiener Arena.

Foto: Christian Fischer
Wien - 13 Jahre. In diesem Alter befindet sich der Mensch in den aufkommenden Stürmen der Pubertät. Was das bedeutet, dürfte bekannt sein. Neben den biologischen Veränderungen geht es vor allem um die stückweise Emanzipation von den Eltern unter besonderer Berücksichtigung des Hilfsmittels Renitenz hin zum eigenständiger werdenden Wesen. Mit allen Irrungen, Enttäuschungen, zu frühen - na, Sie wissen schon - und anderen schwer irritierenden Widrigkeiten.

Diese (unfreiwillige) Aufbruchsstimmung lässt sich auf einen gleich alten Radiosender natürlich nicht übertragen. Am Samstag feierte der erfolgreiche ORF-Jugendsender Radio FM4 in der Wiener Arena seinen 13. Geburtstag. Das Wetter war der Veranstaltung wohlgesonnen, zehn Grad plus, da war der Wind leicht auszuhalten. Die Stimmung entsprach einem Parteitag, einem Parteitag der Jugend, der "alternativen" wohlgemerkt. Brav wurden Programmpunkte abgespult, da Applaus, hier Saalflucht weil's grad doch ein bisserl fad war. Statt Reden Moderationen, Radio zum Anschauen. So nett wie routiniert.

Dass das gebotene Liveprogramm - deutscher HipHop, bisserl "FM4-Musik" - erschütternd schlecht war, wurde kaum wahrgenommen. Solange die Party ausverkauft ist, muss ja alles super sein, oder?

Der Moderator Heinz Reich nannte FM4 in einer Sendung einmal "Wohlfühlradio". Dagegen wäre nichts einzuwenden. Dieses Wohlfühlen geht allerdings auf Kosten jeglichen kritischen Ansatzes im Programm - einige elfenbeinturmartige Formate in den Abendstunden, die den guten Ruf des Senders weitgehend verantworten, sowie die Native Speaker in der Morgenshow einmal ausgenommen. Wohlfühlen wird bei FM4 in Richtung akustische Wellness gedeutet, Themen werden als dahinplätschernde Belanglosigkeiten und mit dem Esprit des dazupassenden Wikipedia-Eintrages kredenzt. "Ja, so muss Radio sein", meinte Reich damals weiter. Oh nein!

Wohlfühlen muss nicht bedeuten, sein Publikum zu unterfordern. Diese Feigheit vor dem Freund schlug sich auch im diesjährigen Geburtstagsprogramm nieder. Nicht ein einziger irgendwie als subversiv einzuschätzender Act war gebucht worden. Jugendkultur wird nicht als Quell von Umbruch oder Aufbruch verstanden, dessen Dynamik man fördert - das war einmal - man verwaltet bloß den selbst miterschaffenen Mainstream.

"Wer hören will muss fühlen", lautet ein aktueller FM4-Slogan.Umgekehrt wird das selten eingelöst. Man hört und hört - aber man spürt nichts. Dass dazu Teenager vor der Bühne FM4lern, die mindestens ihre Eltern sein könnten, auf der Bühne zujubeln, ist nicht minder irritierend und ergibt als Ganzes eine eigenartige Symbiose: einen Whirlpool der Generationen, in dem jeder jeden super findet.

Kein Freibrief

Natürlich ist das schlechteste FM4 immer noch besser als das beste Ö3 - von anderen Kommerzradios ganz zu schweigen. Auch Konstantin Gropper, Sänger der interessantesten Band des Abends, Get Well Soon aus Berlin, meinte, dass FM4, als er noch im Sendegebiet gewohnt hat, für ihn sehr wichtig gewesen sei und er FM4 viel verdanke.

Das ist gut und schön und sicher keine Einzelmeinung. Es ist aber kein Freibrief zum Weiterplätschern. In dem Buch "Es muss was geben", einer Chronik der Entstehung der alternativen Musikszene in Linz von Shy-Sänger Andreas Kump, meint Markus Binder, Schlagzeuger von Attwenger und im FM4-Universum eine Fixgröße, sinngemäß: "Man muss aufpassen, dass man das Eigene nicht zu super findet."

Diese Einsicht wird von der affirmativen Ausrichtung des Senders beständig egalisiert. Es heißt, die "Hosts" auf der FM4-Homepage seien angehalten, Themen, die negative Stimmung in der Community auslösen könnten, zu vermeiden. Mit "Es gefällt mir nicht, aber ich finde es gut", hat der deutsche Satiriker Wiglaf Droste diesen Ansatz einmal treffend beschrieben. Zur Balance gibt es Martin Blumenau als Agent provocateur und leicht zu durchschauendes "kritisches" Feigenblatt. Als Plattform für gehaltvollen Diskurs taugen aber weder Radio noch dessen Internetauftritt. Dass in diesem Milieu mit Kritik von außen dann meist so umgegangen wird, wie es ein beleidigter 13-Jähriger tut, rundet das Bild ab.

In diesem Sinn: Get Well Soon, baldige Besserung! (Karl Fluch/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21. 1. 2008)