"Alkleichenfotosafari" heißt das Spiel.

Foto: Rottenberg

Das relativ rasche Entsorgen der Alkleichen hat bei einigen Gästen heuer einen neuen Sport entstehen lassen.

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Jeweils montags und donnerstags eine Stadtgeschichte Thomas Rottenberg

Es war am Samstag. In Kitzbühel. Und obwohl die Gamsstadt ohne ihre Wochenendgäste gerade einmal so viele Einwohner hat wie der Wohnpark Alt Erlaa, hat das Hahnenkammwochenende mit echten Städten zu tun. Nicht nur, weil da ein oder zwei Busladungen der üblichen Verdächtigen der Wiener Regionalwichtigkeitsliga (inklusive Bundesregierung) glücklich aus Harti Weirathers ViP-Zelt lächelten und sich ganz offen zum real existierenden und gelebten Society-Darwinismus bekannten.

Denn drinnen, bei – angeblich exquisitesten Sushi Röllchen und Champagner – war man sich einig, dass alles, was man hier geboten bekäme, doch ein wunderschönes Vorfest darstelle. Schließlich gehe es beim ViP-Service ja immer darum, das, was man bereits kenne, zu toppen. Und vom Catering übers Luxuslimousinen-Shuttleservice für 200-Meter-Strecken bis hin zum Popoauswischdienst gäbe es nix, aber auch wirklich gar nix, was man da ernsthaft kritisieren könne (einmal abgesehen von jenem kauf-adoptierten "Adeligen" aus dem Rotlichtumfeld, der sich ebenso ernsthaft wie bitter darüber beschwerte, dass er nicht mit dem Hubschrauber, sondern per Gondel auf einen Berg gehievt worden war – "mit dem gemeinen Pöbel.")

Accesspass

Und all das, war man sich eben einig, mache so richtig Lust auf die Euro. Schließlich kann man davon ausgehen, dass alle, die in Kitz "drinnen" sind, auch bei der Euro die Zugangspässe zu den angenehmen Seiten & Plätzen bekommen würden. Und für den Rest der Welt gibt es ja die Fanzonen. In Kitz wie beim Fußball.

Kitzbühel – also der Ortskern – ist zum Streifwochenende eine einzige, wogende Fanzone. Ein dauerbeschallter Trinkparcours, auf dem sich Tausendschaften buntgesichtiger Gröler drängeln. Über den Köpfen gibt es ein paar großformatige Videowände. Ab und zu wird dort Sport, den Rest der Zeit über Werbung oder Werbungsnahes, gezeigt. Aber die meisten Leute schauen eh nicht rauf: die einen, weil sie zu betrunken sind – die anderen, weil sie vermeiden wollen, mit Betrunkenen zu kollidieren. Oder auf sie (manchmal auch ihre Hinterlassenschaften) drauf zu steigen.

Entsorgungsstrategie

Schließlich liegen die Alkleichen offen herum. Obwohl Kitz sich, sagen jedenfalls langjährige Streif-Besucher, in den letzten Jahren ohnehin massiv gebessert hat: Die Zahl der öffentlich sichtbaren Alkleichen ist gesunken. Das Übernachten in den Bankfoyers funktioniert auch nimmer. Und der Billa sperrt am Samstag um eins zu (natürlich nicht, weil die Standler um ihr Monopol fürchten, sondern um das Kampftrinkeraufmunitionieren zu erschweren. Eh klar...)

Doch just das relativ rasche Entsorgen der Alkleichen hat bei einigen Gästen heuer einen neuen Sport entstehen lassen. "Alkleichenfotosafari" heißt das Spiel, das eine paar Handvoll junger Rennfans da am Samstag in Kitz spielten: sobald man irgendwo einen B´suff schlafend im öffentlichen Raum liegen sah, gesellte man sich zu ihm. Und schoss ein Erinnerungsfoto.

Training

Die Sache, erklärten mir Samstagnachmittag die drei Knaben (und das Mädchen, das als Beleitfotografin mit war), hätte allerdings einen Haken. Auch wenn sie in den drei, vier Stunden seit die Abfahrt zu Ende war, schon einige schöne Trophäen sammeln hatten können, dauere die Hahnenkamm-Straßenpart eben doch nur einen Nachmittag und eine Nacht. Aber im Grunde, setzten sie fort, sei das nicht weiter schlimm: Schließlich käme doch die Euro. und die dauere länger. Und ganz besonders freue man sich schon auf die Jagdsaison in der Wiener Innenstadt. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 24. Jänner 2008)