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Die Marille, die als Königin unter den Obstbäumen gilt, zählt beklagenswerterweise zu den extremen Frühblühern, was ihre Kultivierung in unseren Breiten nicht gerade vereinfacht.

Diesmal malen wir einen Teufel an die Wand, der – noch! – aus seiner Höhle nicht hervorgekrochen ist. Doch wir erwarten ihn mit Bangigkeit, denn seine Zeit kommt, und er ist furchtbar: der Morgenfrost im Obstgarten.

Natürlich setzt dieser Satanas der Kälte seine zerstörerischen Kräfte regelmäßig dann frei, wenn die ersten Bäume zu blühen begonnen haben, und seine häufigsten Opfer sind die zarten weiß-rosa Marillenblüten. Die kann er innerhalb weniger Stunden hinwegraffen, und dann ist es mit sommerlichen Marillenknödelorgien und Marmelade-Einkochfesten aus eigener Zucht vorbei. Sind die Blütenknospen noch geschlossen, überleben sie mit Glück Temperaturen bis zu minus fünf Grad. Sind sie jedoch bereits geöffnet oder haben die Bäume schon Früchte angesetzt, ist ab minus zwei Grad der Ofen aus.

Die Marille, die als Königin unter den Obstbäumen gilt, zählt beklagenswerterweise zu den extremen Frühblühern, was ihre Kultivierung in unseren Breiten nicht gerade vereinfacht. Länger andauernde Warmwetterphasen im Vorfrühling treiben diese ursprünglich aus China stammenden Töchter der Gattung der Rosengewächse oft zu aberwitzig früher Blüte.

Frost treibt Schabernack

Besonders Bäume in Südlagen, deren Stämme von der Sonne aufgewärmt werden, sind gefährdet. Sie blühen in manchen Jahren schon Anfang März, was eine biologische Verschwendung der Sonderklasse darstellt, weil der Frost bis in den Mai hinein seinen Schabernack treibt und diese Blüten unweigerlich verloren sind.

Wie kann man dem Frostteufel ein Schnippchen schlagen? Nicht einfach, aber ein paar Waffen haben Obstgärtner doch im Köcher. Beginnen wir mit der Prophylaxe: Bis zu einem gewissen Grad kann die Blüte verzögert werden, indem der Sonne ausgesetzte Stämme mit einem weißen Kalkanstrich kühlgehalten werden.

Besser ist es aber, die Standortwahl genau zu überdenken, bevor man überhaupt einen Marillenbaum pflanzt. Südhänge sind, wie erwähnt, ein Fiasko, es sei denn, Sie stehen in der Gnade, einen Garten in Süditalien bewirtschaften zu dürfen. Auch Mulden und Senken eignen sich weniger, weil sich die kalte Luft darin ansammelt. Wer über ausladende Dachvorsprünge verfügt, sollte ei- nen Marillenspalierbaum in Erwägung ziehen. Die Tiroler Bauern haben mit dieser Methode noch in Seehöhen von 800 Metern Erfolg, und mit ein bisschen Pflege und Hingabe kriegt das jeder Durchschnittstalentierte auch hin.

Lokale Miniheizwirkung

Professionelle Obstbauern begegnen dem Frost mit Beregnungsanlagen. Die Blüten werden besprüht, doch die Wirkung dieser Vorgehensweise beruht nicht, wie fälschlich angenommen, auf dem isolierenden Effekt, den die entstehende Eisschicht rund um die Blüten hat. Es ist vielmehr die Eigenschaft des Wassers, bei der Eisbildung rund 80 Kilokalorien Wärme pro Liter abzugeben, die eine lokale Mini-heizwirkung ausübt. Sollten Sie diese Methode tatsächlich in Erwägung ziehen, machen Sie sich auf lange, kalte Nächte mit dem Gartenschlauch in der Hand gefasst – oder versorgen Sie sich mit feinsprühenden Gartenberegnern und Zeitschaltuhr.

Man kann seinen Obsthain notfalls auch mit teuren, energieverschleudernden Geräten mit dem Namen "Frostbuster" beheizen. Das sind Gasverbrenner mit Gebläse, die vor allem jene in Katastrophennächten zum Einsatz bringen, die den Obstbau professionell betreiben. Letztlich ist das alles aber eine Gratwanderung, und das beste Gegenmittel für den Frost ist der Frost selbst, der möglichst lange andauern und die Blüten noch ihren Winterschlaf halten lassen möge. (Ute Woltron/Der Standard/rondo/25/01/2008)