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Nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen wurde Lisa Rücker von ihren Parteikollegen gefeiert. Jetzt gilt es die "Leitthemen" Verkehr, Umwelt, Menschenrechte und Integration in den Verhandlungen mit der ÖVP durchzusetzen.

Foto: Reuters/HERBERT NEUBAUER
"Wir haben nicht herumgeplärrt und irgendwelche Sprüche losgelassen." Das war, so Spitzenkandidatin Lisa Rücker, das Erfolgsrezept der Grünen bei den Grazer Gemeinderatswahlen. Die "klare Positionierungen" zu den Aussagen Susanne Winters hätten die BürgerInnen geschätzt.

Im Interview mit derStandard.at erklärt Rücker, mit welcher Taktik sie nun in die Verhandlungen mit der ÖVP geht und was Bürgermeister Nagl tun muss, um die vorhandene Skepsis ihm gegenüber, zu zerstreuen. In die Bundespolitik möchte Rücker nicht wechseln. Ihr Ziel ist es, Bürgermeisterin von Graz zu werden. Die Fragen stellte Rosa Winkler-Hermaden.

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derStandard.at: Warum konnten die Grünen in Graz so viel dazugewinnen (plus 6 Prozent)? Haben Sie von der Winter-Hetzrede profitiert?

Rücker: Wir haben einen sehr radikalen Wahlkampf von rechts erlebt. Die klare Positionierung, die wir von Anfang dazu hatten, hat eine Rolle gespielt. Wir waren die einzige Wahl, wenn man da ein Statement setzen wollte.

derStandard.at: Hätten die Grünen also nicht so viel dazu gewonnen, wenn Winter Ihre Aussage nicht getätigt hätte?

Rücker: Ich nehme an, dass es ein bisschen geringer gewesen wäre, aber nicht viel geringer. Das werden wir aber noch bei der Wählerstromanalyse sehen, wer mobilisiert wurde.

Ich glaube aber, dass es nicht nur der Winter-Sager war, von dem wir profitiert haben. Es ist uns auch gelungen, auf der Schiene Ökologie und Menschenrechte von Anfang eine klare Botschaft zu formulieren. Die Frage Feinstaub, Umweltverschmutzung ist eine, die die Menschen betrifft.

Wir haben einen sehr guten Jugendwahlkampf geführt und sind bei den Diskussionsveranstaltungen glaubwürdig und sachorientiert aufgetreten. Wir haben nicht herumgeplärrt und irgendwelche Sprüche losgelassen. Das haben die Leute geschätzt.

derStandard.at: Peter Pilz hat sich in seinem Weblog noch darüber aufgeregt, dass die Medien - er hat auch den Standard genannt - die Winter-Aussagen veröffentlicht haben. Aber Ihnen hat es offensichtlich genutzt.

Rücker: Wir haben uns nicht in das hysterische Getue danach eingemischt. Wir haben klar gesagt, es ist verantwortungslos und unhaltbar was sie macht. Mehr hätte es auch von Seiten der Medien nicht gebraucht.

Auch die politischen VertreterInnen haben plötzlich entdeckt, dass sie alle eine Position zu diesem Thema zu äußern haben. Man hat das an der Sonntagabend-Diskussion im ORF gesehen, dass jedem irrsinnig viel zu dem Thema einfällt, obwohl jahrelang eine ausgrenzende Politik betrieben und in Kauf genommen wurde.

derStandard.at: Die Wahlbeteiligung war miserabel. Warum sind gerade die Grünwähler wählen gegangen?

Rücker: Weil das immer die sind, die am ehesten politisch interessiert sind. Wir sind zwar nicht die PolitikerInnen, die immer einfache Antworten haben. Aber damit sprechen wir die anspruchsvollen BürgerInnen an und die haben einen anderen Zugang zum Wahlrecht als demokratisches Mittel.

derStandard.at: Wann starten die Gespräche mit der ÖVP?

Rücker: Wir führen ab nächster Woche Verhandlungen, wir haben eine Einladung von der ÖVP erhalten. Die ÖVP wird sich massiv bewegen müssen. Unsere Leitthemen sind Verkehr, Umwelt, Menschenrechte, Integration. Entlang dieser Inhalte werden wir verhandeln. Wenn ein gutes Ergebnis rauskommt, werden wir uns vor einem Arbeitsübereinkommen nicht fürchten.

derStandard.at: Die bekannten Aussagen von Bürgermeister Nagl gegen Homosexuelle oder Türken schrecken Sie nicht ab?

Rücker: Er muss beweisen, dass er lernfähig ist. Das hat er uns bis jetzt noch nicht bewiesen, nur weil sein Wahlkampf liberal wie nie zuvor war. Die Skepsis bleibt bestehen.

Es wird sich schon in den Verhandlungen zeigen, ob eine mögliche Zusammenarbeit funktionieren kann. Wir wollen in dieser Stadt etwas verändern. Wenn es mit der ÖVP geht, wären wir ja blöd, wenn wir es nicht tun. Wir werden uns sicher nicht auf eine KPÖ-Position zurückziehen und sagen, Schuld sind immer die anderen.

Es ist ja nicht so, dass wir uns jetzt unbedingt auf die Frage schwarz-grün reduzieren lassen müssen. Es gibt ja noch immer die Sozialdemokratie. Man kann auch über Dreierkonstellationen sprechen. Und natürlich gibt es auch die Möglichkeit, dass Schwarz-rot weiterwurschtelt. Mit 15 Prozent haben wir auf jeden Fall eine gute Ausgangsposition.

derStandard.at: Es wird immer wieder diskutiert, dass es um den Grünen Nachwuchs schlecht steht. Wie sieht es in Graz aus?

Rücker: Wir haben erfahrene Leute genauso wie junge Leute. Beim Wahlkampf sind wieder viele neue, auch junge, Leute zu uns gestoßen. Ich sehe da kein Problem. Außerdem ist die Kombination zwischen erfahrenen und jungen Leuten wichtig. Da haben wir Grünen keinen so großen Aufholbedarf wie andere Parteien: Wenn ich mir die Grazer SPÖ anschaue, die mit den gleichen alten Gesichtern wieder versucht einen Relaunch zu machen. Da sind die Grünen ganz anders aufgestellt.

derStandard.at: Haben Sie Ambitionen in die Bundespolitik zu gehen?

Rücker: Nein. Ich bin leidenschaftliche Kommunalpolitikerin. Mein langfristiges Projekt ist Bürgermeisterin in Graz zu werden. (derStandard.at, 24.1.2007)