Kristina Prantner kümmert sich um den Nachwuchs berufstätiger Eltern. Im Bild mit Reserve-Enkerl Felix.

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Wien - Viel Freizeit hat Kristina Prantner nicht. Das ist der Pensionistin aber auch ganz recht so. "Selbst nach einem Lotto-Sechser würde ich weiter als Oma arbeiten", sagt die 60-Jährige. "Weil es mir gut tut und besser ist, als nur zu Hause zu sitzen."

Für ein paar Euro im Monat kümmert sich die Pensionistin um den Nachwuchs berufstätiger Eltern. Im Vergleich zu Rest-Österreich ist das Kinderbetreuungsangebot in Wien zwar relativ groß, damit der Nachwuchs nicht den ganzen Tag im Kindergarten oder Hort verbringt, engagieren aber immer mehr Eltern Leihomas. Kristina Prantner weiß oft gar nicht, bei welcher Familie sie zuerst vorbeischauen soll. "Jemandem abzusagen, fällt mir schwer. Ich will kein Kind benachteiligen, denn ich mag ja alle gleich gern."

Ein paar Stunden pro Woche verbringt Prantner mit der zwölfjährigen Casey, mehrmals wöchentlich holt sie den zweieinhalb Jahre alten Felix vom Kindergarten ab und geht mit ihm in den Park, fallweise hütet sie auch die Kinder einer tschetschenischen Flüchtlingsfamilie, die in einer Caritas-Wohnung untergekommen ist. "Es ist einfach schön, gebraucht zu werden", sagt die ehemalige Trafikantin, die seit elf Jahren verwitwet ist. Nach dem Tod ihres Mannes wurde der gebürtigen Wienerin das Einfamilienhaus in Niederösterreich, in dem sie zwei Töchter großgezogen hat, zu groß und sie tauschte es gegen eine kleine Wohnung in der Stadt. "Richtig besser geht es mir aber erst seit eineinhalb Jahren, seit ich Leihoma bin." Gut 1000 Familien beantragen jährlich beim Katholischen Familienverband der Erzdiözese Wien eine Großmutter zum Ausleihen. Die Nachfrage ist wesentlich größer als das Angebot. "Wir suchen dringend Omas", sagt Geschäftsführer Andreas Cancura "vor allem für die westlichen Randbezirke."

Auf Opas will der Familienverband trotz dramatischem Oma-Engpass nicht zurückgreifen. "Wir hatten einmal Großväter, aber viele Eltern wollen ihre Kinder nicht mit einem Mann alleine lassen", bedauert Andreas Cancura. "Ich fände es ja begrüßenswert, wenn mehr Männer in Erziehungsberufen arbeiten würden."

Leihoma Prantner kann sich ein Leben ohne ihre Reserve-Enkerl jedenfalls nicht mehr vorstellen. "Auf die passt man fast besser auf als auf die eigenen", sagt sie "einfach weil man so darauf bedacht ist, ja nichts falsch zu machen." (Martina Stemmer, DER STANDARD - Printausgabe, 25. Jänner 2008)