Netzpolitik
Musikmarkt im Umbruch: Fünf Prozent Minus trotz "Konsumsteigerung"
Fettes Brot: "Schwieriger, Schrott zu Geld zu machen" - IFPI: Österreich-Musikmarkt 2007 um fünf Prozent zurückgegangen
Die CD-Verkäufe sind auch 2007 wieder gesunken.
Während immer mehr Menschen Songs über legale Downloadplattformen
oder Handy erworben haben (plus 40 Prozent und erstmals über 10 Mio.
Songs in Österreich im Jahr 2007), ist nach vorläufigen Zahlen der
Internationalen Vereinigung der Phonographischen Industrie (IFPI) der
gesamte Musikmarkt in Österreich 2007 um rund fünf Prozent
zurückgegangen. Mehr als 200 Mio. Euro wurden für den Kauf von Musik
ausgegeben, 2006 waren es noch 216 Mio. Euro. Dabei kämpft die
Tonträgerindustrie eigentlich eine paradoxe Schlacht: Denn zugleich
wird derzeit so viel Musik konsumiert wie noch nie.
Start
Es war ein später Start, doch mit 500 legalen
Download-Plattformen, die über sechs Mio. Songs zum kostenpflichtigen
Download anbieten, hat die Musikindustrie 2007 die Zukunft ihres
eigenen Geschäftes zuallerletzt doch noch selbst erkannt. Noch 2004
waren nur zwei Prozent der Musik digital verkauft worden. Die
Jubelmeldung von 2 Mrd. Euro Umsatz und 40 Prozent Wachstum beim
internationalen digitalen Markt im Jahr 2007 kann jedoch über zwei
Faktoren nicht hinwegtäuschen: Das Wachstum ist zwar hoch, jedoch
gegenüber 2006 (wo sich der Digitalmarkt international fast
verdoppelte) deutlich langsamer geworden. Und dass die digitalen
Verkäufe mittlerweile 15 Prozent des Gesamtmarktes ausmachen (2006:
5,5 Prozent), liegt nicht zuletzt auch daran, dass der Gesamtmarkt
ordentlich zurückgegangen ist.
So gelingt es auch nach Meinung von IFPI Austria-Chef Franz
Medwenitsch nach wie vor nur "teilweise", einen Trend zu nutzen, der
eigentlich die Kassen füllen sollte: "Niemand bezweifelt, dass heute
mehr Musik denn je konsumiert wird. Auch das Interesse an Musik wird
über alle Altersschichten immer größer", bestätigt Medwenitsch
gegenüber der APA. Doch am Bestreben, dieses Potenzial "durch
attraktive Veröffentlichungen und neue digitale Angebote zu nutzen",
gibt es einen Haken: Denn die Tonträgerindustrie macht derzeit "auch
die Erfahrung, dass Musik an Wertigkeit verliert und damit die
Bereitschaft sinkt, für Musik auch zu bezahlen. Wir haben
Umsatzrückgänge bei gleichzeitiger Konsumsteigerung. Das liegt nicht
an den Angeboten sondern an einer veränderten gesellschaftlichen
Werthaltung."
Online
Musik ist, nicht zuletzt online, allüberall gratis verfügbar - da
sinkt die Bereitschaft, dafür zu zahlen, rasant. Vor allem, so
scheint es, für jene Mainstream-Musik, mit der man allerorts mehr
belästigt als verwöhnt wird. "Es ist schwieriger geworden, Schrott zu
Geld zu machen", sagt auch König Boris von der deutschen Band Fettes
Brot zur APA. Doch dass vor allem im Plastikpop-Segment die Verkäufe
zurückgehen, ist laut IFPI aus den Verkaufszahlen nicht ersichtlich:
"Rock und Alternative legen leicht zu, aus Gesamtmarkt-Sicht können
aber keine gravierenden Repertoire-Verschiebungen über einen längeren
Zeitraum festgestellt werden", so Medwenitsch. Pop inklusive
Alternative macht 54 Prozent des Marktes aus, gefolgt von Rock/Hard
Rock (13 Prozent) und Klassik (elf Prozent).
Wie der Musikmarkt in Österreich 2007 genau ausgesehen hat, wird
erst Ende Februar feststehen, betont die IFPI die Vorläufigkeit der
angegebenen Zahlen.
Geschäft
Nach wie vor suchen die Musiker und ihre Lables Wege, aus dem
vermehrten Interesse Kapital zu schlagen. "Raubkopien schaden dem
Geschäft", sagt Lex Machat von der österreichischen Band Zweitfrau.
"Aber ich hätte lieber, dass 100.000 Leute das Album kennen und
darauf stehen, als dass nur 100 Leute das Album kaufen." Die
derzeitige Ratio sagt, dass die Musiker ihr Geld künftig vor allem
durch Konzerte machen werden. "Konzerte gelten nach wie vor als
unbrennbar", sagt König Boris von Fettes Brot.
Doch wirklich richtig scheint das nur für die etablierten Bands zu
sein. "Wer zeigt mir, dass eine österreichische Bands mit Livespielen
viel Geld machen kann?", fragt der Tiroler Musiker Mauracher. Dass
jahrelang über große Musiklabels beworbene Acts wie Radiohead und
Madonna sich quasi alles erlauben können und ihre Musik gegen
freiwillig zu bezahlenden Download (Radiohead) bzw. CDs nur noch als
Beigabe zu einem Tourneevertrag (Madonna) anbieten, habe mit dem
Alltag heutiger Bands nichts zu tun. Die Trends sprechen vielmehr für
eine "Verarmung der musikalischen Mittelschicht", sagt Zweitfrau, da
viele Bands, die bis vor kurzem gerade noch vom Musikmachen leben
konnten, nun unter die Nebenjob-Schwelle gerutscht sind.
Bindung
Für Bands werde es immer wichtiger, eine Bindung zum Publikum
aufzubauen. "Man versucht zu vermitteln: Wenn du uns unterstützen
willst, dann mach das auch", so Zweitfrau-Sängerin Diana Lueger.
Nicht zuletzt, weil die Labels durch ihre Einnahmen wieder junge
Bands unter Vertrag nehmen können. "Wenn das nicht passiert, gibt's
Stillstand." Der Trend, dass es durch vielfältige neue Kanäle, immer
leichter wird, neue Bands zu entdecken, hält für IFPI-Chef Franz
Medwenitsch auch künftig an: "Die Möglichkeiten an Musik und neue
Bands heranzukommen, werden deutlich vielfältiger."
Klagen
Die Bindung der Musikfans an die Idee, dass man für Musik bezahlen
muss, will die Musikindustrie nicht nur über Zuckerbrot herstellen:
650 Verfahren gegen Anbieter von urheberrechtlich geschützter Musik
auf nichtkostenpflichtigen Filesharing-Plattformen wurden von IFPI
Austria eingeleitet, 550 bereits durch Vergleich oder gerichtlichen
Beschluss abgeschlossen. Laut IFPI alle zu Gunsten der
Musikindustrie; im Durchschnitt haben die Filesharer 2.000 Euro
zahlen müssen. "Wir können nicht tatenlos zusehen, wie unser Content
und unsere Rechte verletzt werden", so Medwenitsch. Das aus der Sicht
der IFPI illegale Filesharing von Musik "konnte eingedämmt werden".
Die Klagen seien "kein Selbstzweck, sie sollen dem legalen
Online-Markt Luft zum Atmen geben".
Dennoch: Es herrscht kein Zweifel daran, dass die
Tonträgerindustrie im Umbruch ist. Auf der Musikmesse MIDEM in Cannes
werden derzeit neue Ansätze für den digitalen Verkauf, etwa Abos für
Musikhören auf allen Geräten (auch dem Handy), diskutiert. Vom
Konzept des digitalen Kopierschutzes hat man sich nach zähen Kämpfen
so langsam verabschiedet. Was der Verkauf von frei kopierbarer
digitaler Musik der Musikindustrie letztlich aber genau nützen soll,
weiß auch keiner so recht.
Wandel
Genauso wenig wie derzeit gesagt werden kann, wohin der Wandel
letztlich führen wird. "Die Musikbranche wird sich weiter stark
verändern, aber sie wird nicht aufhören zu bestehen", prognostiziert
Medwenitsch. "Künstler und Labels müssen vom Musikschaffen auch
weiterhin leben können, sonst laufen alle Anstrengungen ins Leere.
Die CD und die DVD sehe ich nicht vom Aussterben bedroht, aber das
Wachstum wird aus dem Online- und Mobile Markt kommen." (APA)