Als das Tanzquartier Wien am 3. Oktober 2001 eröffnet wurde, war nicht nur Jubel zu vernehmen, hatte ein Teil der Wiener Tanzszene doch eine Einrichtung angestrebt, die von ausgewählten heimischen Choreografen als lokal orientierte Institution betrieben werden sollte. Schon 1994 hatte es konkrete Pläne für eine "Tanzbox" in der Leopoldstädter Remise gegeben, und auch das ImPulsTanz-Festival zeigte Interesse, ein Tanzhaus zu leiten.

Im Juli 1998, als klar war, dass der damalige VP-Kulturstadtrat Peter Marboe ein solches zu "seiner" Sache machen würde, stellte eine lokale Plattform" ihr Konzept "Tanzräume Wien" vor. Darin sollten drei Choreografen für bis zu fünf Jahre Studios verwalten – Sebastian Prantl etwa legte Wert auf Platz für einen Flügel – und die Tanzszene mit Probe- und Aufführungsgelegenheiten versorgen.

Marboe entschied sich für eine Intendanzlösung. Der Ort hieß nicht mehr Remise, sondern Museumsquartier. Den Nachteil einer Trennung der Aufführungsorte (Halle G und E) und des eigentlichen "Tanzquartiers" nahm man in Kauf, auch die Tatsache, dass sich das TQW "seine" Bühne von der Betreibergesellschaft dieser Hallen mieten musste.

Die Intendanz wurde international ausgeschrieben; den Zuschlag erhielt Sigrid Gareis, die bis dahin bei Siemens in München für Theater und Tanz zuständig gewesen war. Von ihr wusste man, dass sie den internationalen Gegenwartstanz überblickte und die Ende der 90er-Jahre stark progressive europäische Choreografie richtig einschätzen konnte.

Zu dieser Zeit war die Tanzpolitik in Wien so gespalten, wie sie es heute noch ist: Auf der einen Seite standen Verteidiger der schönen Bewegungskunst und auf der anderen jene, die einen erweiterten Kunstbegriff vertraten. Die Konfliktträchtigkeit dieses ästhetischen Kontrahententums bewirkte, dass Gareis’ fortschrittliche Programmgestaltung von Beginn an auch als provokant angesehen wurde. Das Haus – es ist bis heute die einzige Spielstätte für Gegenwartstanz mit Jahresprogramm in Wien geblieben – hatte einen schwierigen Start.

Gareis und ihr Team schafften es, die Besucherzahlen auf ein akzeptiertes Niveau hochzubringen. Sie entwickelten mit wechselnden Dramaturgen experimentelle Formate, erwiesen sich als ausgesprochen kooperationseffektiv und versuchten, nur die relevantesten internationalen und lokalen Kunstpositionen zu präsentieren. Das TQW widmete sich von Beginn an der künstlerischen Forschung ebenso wie der Theorie, der Pädagogik und der Kunstpräsentation und -koproduktion. Das Publikum hat gut lachen: Bisher gastierten nahezu alle wichtigen Choreografen am TQW.

In seiner nun siebenten Saison zählt das Haus zu den anerkannten Spitzeninstitutionen in ganz Europa. Mit einer lokalen Struktur der Tänzerselbstverwaltung wäre das nicht gelungen. Dafür mischt der österreichische Tanz seit 2001 zunehmend in der internationalen Szene mit – nicht zuletzt auf Basis von Gareis’ Vermittlungsarbeit. (Helmut Ploebst, DER STANDARD/Printausgabe, 19./20.01.2008)