Rotterdams Wachstum über seine mittelalterlichen Grenzen hinaus, setzte erst relativ spät, mit der Fertigstellung des Nieuwe Waterweg 1872 ein, welcher eine für die Schifffahrt unentbehrliche, sichere Verbindung zur Nordsee garantierte. Es verlief dafür umso rasanter. In dieser Zeit wurde auch das Witte Huis errichtet, mit einer Höhe von 43 Metern damals das höchste Bürogebäude Europas.

1940 wurde die Stadt von den Bomben der Nazi-Luftwaffe weitgehend dem Erdboden gleichgemacht. Beim Wiederaufbau wurde auf Historisierung verzichtet. Die großflächige Brache wurde stattessen als Herausforderung für die, durch jahrhundertelange Übung geschärfte, Fähigkeit der Niederländer, zu rationaler Planung und moderner Gestaltung ihrer physischen Umgebung, angesehen.

Neben Rotterdams Skyline oder seinen breiten Verkehrsschneisen, legt auch dieser nach vorne gerichtete Blick Vergleiche mit Städten in den USA nahe.

Die Stadt ist jedenfalls zu einer Spielwiese moderner Architektur geworden und weiß mit diesem Pfund auch zu wuchern. Das Niederländische Architekturinstitut hat sich hier angesiedelt, es gilt als eine der weltweit führenden Institutionen auf seinem Gebiet.

In den Buchhandlungen der Stadt fällt ein breites Angebot an einschlägigen Titeln ebenso auf, wie Papierbausätze herausragender Gebäude.

Uninspirierte Großmannssucht in Stahl und Glas sind dem Manhatten an der Maas allerdings nicht erspart geblieben. Menschen aus 160 Nationen sollen in der kosmopolitischen Stadt leben. Eine Vielfalt, die nicht versteckt, sondern in einer permanenten Installation - einem Flaggenwald am Flussufer - selbstbewusst präsentiert wird.

Das wenige Alte, auf das man dann doch stößt, wird entweder - wenig sentimental - sich selbst überlassen...

...oder wirkt ein bisschen wie in die Ecke verräumte Überflüssigkeit. Grachtenromantik sucht man in Rotterdam vergeblich. Seine Wasserstraßen beschippern keine Ausflugsboote, Zweck geht vor Muße. Und immer wieder stockt der Straßenverkehr an geöffneten Zugbrücken, um Lastkähnen die Passage zu erlauben.

Besonders auffällig natürlich die Kubushäuser. Der würfelförmige Wohnbereich stellt dabei eine stilisierte Baumkrone dar, während das gesamte Ensemble eine Art Wald formieren soll.

Als eines der bekanntesten Wahrzeichen des neuen Rotterdam gilt die Erasmus-Brücke. Seit 1996 verbindet sie das Zentrum mit dem Stadtentwicklungsgebiet Kop van Zuid...

Die Anlage aus den 1980er Jahren wirkt allerdings mittlerweile etwas heruntergekommen und verlassen. Ein origineller Entwurf scheint hier an der Praxis zu scheitern.

...am südlichen Ufer der Neuen Maas. Dort werden weite, ehemals vom Hafenbetrieb besetzte, Areale neu bebaut. Man setzt dabei auf große Einheiten, ein Quality Supervisor der Stadt sorgt für die Einhaltung architektonischer Standards. In zwei Jahren soll das Projekt abgeschlossen sein.

Wo es Baukunst gibt, ist auch die Kunst am Bau nicht fern. Viel leerer Raum und fehlende bauliche Verdichtung im Herzen der Stadt irritieren etwas. Das Gefühl, sich in einem Zentrum zu befinden, will sich nicht so recht einstellen. Obwohl verkehrsberuhigte Zonen und eine Art Shoppingmall unter freiem Himmel ein solches simulieren sollen.

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Bei einem Schlenker über den Nieuwe Binnenweg in die westlich gelegenen Viertel Oude Westen oder Middelland mit ihren Backsteinhäusern, wird schon eher urbanes Flair spürbar. Das Angebot der dort ansässigen Geschäfte abseits internationaler Kettenfadesse, spiegelt auch Geschmack und Bedürfnisse der vielen Zuwanderer aus Asien und der Karibik wieder.

Über 40 Prozent der Bevölkerung machen die Allochtonen inzwischen aus, nachdem die Stadt früher für hunderttausende Auswanderer letzte Station auf dem Weg nach Übersee gewesen war. Der ehemalige Hauptsitz der Holland-Amerika-Lijn, das heutige Hotel New York (im Bild rechts) wird überragt von der schlanken Silhouette des Montevideo. Seinen Namen hat das höchste Wohnhaus der Niederlande (140 Meter) von einem einst an dieser Stelle stehenden Lagerhaus geerbt.

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Der Hafen ist ein weiteres definierendes Charakteristikum Rotterdams. Ob nun der größte der Welt, doch bloß die Nummer zwei, oder gar nur der größte außerhalb Asiens, ist umstritten. Die offizielle Sprachregelung vor Ort beharrt jedenfalls auf Variante eins.

Fest steht, dass weiter expandiert wird. Durch die Erweiterung der Maasvlakte, einer künstlich in der Nordsee angelegten Insel, auf 6000 Hektar, verdreifacht sich die Umschlagskapazität für Container bis etwa 2013 noch einmal.

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Schon jetzt fügen sich tausende dieser aufeinandergestapelten Behältnisse zu beachtlichen Hügelketten...

...um schließlich von berghohen Pötten - willigen Lasttieren der globalen Ökonomie - über alle sieben Weltmeere verbracht zu werden.

Eine empfehlenswerte Basis für BesucherInnen: das Maritime Hotel/Zeemanshuis. Seine preiswerten Zimmer mit Wasserblick, von denen aus man das Treiben auf der Maas sozusagen aus der Loge betrachten kann, wiegen eine gewisse jugendherbergliche Nüchternheit in der Ausstrahlung, sowie Huhn Hawaii als das Rückgrat des Menüplans, allemal auf. (Fotos: Tanja Rudolf/Text: rob)