Franz Köppl: "Für die Mieter und Wohnungssuchenden ist das Richtwertsystem undurchschaubar und auch nicht überprüfbar."

Foto: derStandard.at/Putschögl

"Fehlende Mietenbegrenzung und hohe Nachfrage lassen die Mieten explodieren", klagt der AK-Experte und verlangt deshalb,...

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...dass der "Lagezuschlag" gestrichen wird: "Hier erfolgt eine massive Umverteilung von Arbeitnehmereinkommen zu 'arbeitslosem' Mieteneinkommen, von der die Vermieter profitieren, ohne dass sie auch nur einen Finger dafür gerührt haben."

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Zur Eindämmung der gerade heiß diskutierten Teuerungwelle fordert AK-Wohnrechtsexperte Franz Köppl einerseits eine Begrenzung der Zuschläge, die derzeit zum Richtwertmietzins verlangt werden können, andererseits eine stärkere Entkoppelung von Inflation und automatischer jährlicher Mietenanpassung.

Beim Wohnrecht verlangt die Arbeiterkammer, dass die jüngsten von ihr erkämpften OGH-Urteile zu den Instandhaltungspflichten endlich in Paragraphen gegossen werden. Österreich hält der AK-Experte überdies für ein "Makler-Paradies", in dem "sehr viele Betriebe dazugekommen sind, seit die Mieten so stark gestiegen sind". Die Arbeiterkammer setzt sich nun für eine "gerechtere Verteilung der Provisionsbelastung zwischen Mietern und Vermietern" ein.

Das Gespräch führte Martin Putschögl.

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derStandard.at: Herr Köppl, die hohe Inflationsrate ist gerade das Thema der Stunde. Die Arbeiterkammer verlangt Mietzinsobergrenzen. Wie könnten die aussehen?

Franz Köppl: Konkret fordert die AK, dass das Richtwertmietensystem, das momentan sehr ineffizient und undurchschaubar ist, effizienter wird – und zwar durch eine klare Begrenzung der Zuschläge, die zum Richtwert verlangt werden können. Derzeit können die Vermieter zum Richtwert beliebige Zuschläge verlangen, die im Gesetz nirgends definiert sind. Noch dazu muss dem Mieter nicht bekannt gegeben werden, ob Zuschläge verlangt werden und in welcher Höhe. Das führt dazu, dass die Neuvermietungsmieten seit 2000 um mindestens 30 Prozent gestiegen sind.

Andererseits verlangen wir auch eine stärkere Entkoppelung von Inflation und automatischer jährlicher Mietenanpassung.

derStandard.at: Wünschen Sie sich, dass die Mieten aus dem Warenkorb, der zur Berechnung des Verbraucherpreisindex dient, herausgenommen werden?

Köppl: Vor 1994 gab es die Regel, dass die Mieten erst angepasst werden dürfen, wenn der VPI um zehn Prozent gestiegen ist. Man hat das gemacht, um die Mieter nicht mit jährlichen Mietenerhöhungen zu belasten. Auf der anderen Seite wirkte sich das auch dämpfend auf die Inflationsrate aus.

Durch die jährliche Steigerung kommt es auch zu sich gegenseitig verstärkenden negativen Effekten, zu einer Mieten/Inflationspirale.

derStandard.at: Spielt der Richtwert überhaupt noch eine große Rolle?

Derzeit praktisch nicht. Für die Mieter und Wohnungssuchenden ist das Richtwertsystem undurchschaubar und auch nicht überprüfbar. Das wissen auch die Vermieter und Verwalter. Verlangt wird deshalb einfach die mögliche Höchstmiete. Und diese steigt wegen der hohen Nachfrage ständig, wie auch die Immobilienwirtschaft bestätigt.

Der private Mietwohnungsbestand ist aber für die Wohnversorgung wichtig. In Wien entfällt etwa die Hälfte des Mietwohnungsbestandes auf den privaten Sektor, vor allem im dicht bebauten Gebiet mit guter öffentlicher Infrastruktur. Dieser Bereich ist ohne wirksame Mietenbegrenzung mit viel zu hohen Mieten. Diese Wohnungen sind für Familien kaum mehr leistbar. Eine 80-Quadratmeter-Wohnung unter 800 Euro kriegen Sie nicht mehr auf dem freien Wohnungsmarkt. Das sind dann oft vierzig Prozent des Haushaltseinkommens bereits für Durchschnittsverdiener. Viele junge Leute kommen dadurch auch in wirtschaftliche Notsituationen. Dadurch kommt es auch zu einer Entmischung in der Stadt. Familien mit Kindern müssen in geförderte Wohnungen an den Stadtrand ziehen.

derStandard.at: Profitieren tun davon die Zinshauseigentümer…

Köppl: Ja, fehlende Mietenbegrenzung und hohe Nachfrage lassen die Mieten explodieren. Dazu kommen noch die Lagevorteile durch die gute öffentliche Infrastruktur im dicht bebauten Stadtgebiet. Je mehr aus allgemeinen Steuermitteln Infrastruktur errichtet, erneuert und saniert wird, umso mehr kassiert der private Hausbesitzer eine Lagerendite. Im zweiten Bezirk sehen wir das ganz gut: Da kommt jetzt die U-Bahn hin, und sofort steigen die Mieten. In der Ökonomie nennt man das "Windfall profits", das sind Profite, die nicht durch eigene wirtschaftlichen Leistung oder Investitionen erzielt werden. Hier erfolgt eine massive Umverteilung von Arbeitnehmereinkommen zu "arbeitslosem" Mieteneinkommen, von der die Vermieter profitieren, ohne dass sie auch nur einen Finger dafür gerührt haben.

Deshalb verlangt die AK auch, dass der sogenannte Lagezuschlag, der derzeit zum Richtwert verlangt werden darf und der besonders hoch ist, gestrichen wird.

derStandard.at: Wer ist gefordert – Land oder Bund?

Köppl: Die Mietenbegrenzung muss im Mietengesetz geregelt werden und dass ist Bundeskompetenz. Der geförderte Wohnungsneubau ist teilweise Bundessache, teilweise Länderkompetenz. Die AK verlangt eine deutliche Zunahme des geförderten Wohnungsneubaus. Auch die derzeit geforderte stärkere Förderung der Sanierung darf nicht auf Kosten des Wohnungsneubaus gehen.

derStandard.at: Was wünschen Sie sich noch von der Regierung – Stichwort Mietrecht?

Köppl: Die AK verlangt, dass der Katalog der zusätzlich zur Miete auf die Mieter überwälzbaren Kosten gekürzt wird. So ist es besonders ungerecht, dass die Mieter auch die Grundsteuern, eine Vermögenssteuer auf Grund und Boden, für den Hausbesitzer zahlen müssen. Auch die zusätzliche Überwälzung von Hausversicherungskosten auf die Mieter ist nicht sachlich. Damit müssen Mieter zusätzlich – neben ihrer Miete - die Kosten der Erhaltung des Hauses tragen. Aber auch die Kosten für den Verwalter des Hauses werden auf die Mieter abgewälzt. Der Hausverwalter wird aber vom Vermieter beauftragt und erbringt seine Dienste für den Vermieter und nicht für den Mieter. Deshalb soll auch der Vermieter diese Kosten zahlen. Die AK fordert deshalb, dass die im Rahmen der Hausbetriebskosten zusätzlich auf die Mieter überwälzbaren Kosten reduziert werden. Auch diesbezüglich muss das Mietrechtsgesetz geändert werden.

Weiters fordert die AK eine Reduktion der Belastungen durch Maklerprovisionen für die Mieter.

derStandard.at: Ein viel diskutierter Misstand …

Köppl: Ja. Derzeit zahlen die Mieter die gesamte Belastung, obwohl der Makler vom Hauseigentümer beauftragt wird. Von dem verlangt der Makler aber nichts. Die Makler halten sich zur Gänze an den Mietern schadlos. Die Mieter können aber nur über den vom Hausherrn bestimmten Makler die Wohnung bekommen und sind deshalb den Maklern ausgeliefert. Deshalb haben die Wohnungssuchenden in Österreich die weitaus höchste Maklerprovisionsbelastung in ganz Europa, um hundert Prozent mehr als etwa in Deutschland. Die AK verlangt hier eine gerechtere Verteilung der Provisionsbelastung zwischen Mietern und Vermietern. Die Provisionen, die vom Mieter verlangt werden dürfen, sollen deshalb nicht höher als in Deutschland sein, also maximal zwei Monatsnettomieten, das heißt die Miete gerechnet ohne überwälzbare Hausbetriebskosten.

Wenn das in Deutschland möglich ist, wo die Verhältnisse ungefähr so sind wie bei uns, und wo die Mieten noch dazu derzeit niedriger sind als bei uns, ist es nicht erklärbar, warum in Österreich die Mieter so überproportional belastet werden.

derStandard.at: Wie funktioniert das in Deutschland?

Köppl: Vielleicht arbeiten in Deutschland die Makler effizienter, jedenfalls können in Deutschland Makler auch mit den zwei Nettomonatsmieten, die sie vom Mieter kassieren, ihre Betriebe Gewinn bringend führen. Dort wo sie mit diesen Beträgen nicht auskommen, verlangen sie auch vom Vermieter eine Abgeltung ihrer Leistung. Wir haben in Österreich aber möglicherweise auch eine nicht besonders effiziente Betriebsstruktur bei Maklern. Viele Mieter beklagen sich auch über die schlechte Leistung der Makler, die sie dann noch teuer bezahlen müssen.

derStandard.at: Glauben Sie, dass es zu viele Makler gibt in Österreich, dass der Markt also "zu eng" ist?

Köppl: Ich glaube, dass auf jeden Fall sehr viele Betriebe dazugekommen sind, seit die Mieten so stark gestiegen sind. Man muss sich vorstellen: Vor 1994 gab's schon diese Regelung mit den drei Monatsmieten. Heute sind die Mieten wegen der Mietenliberalisierung aber um rund 200 Prozent höher. Zusätzlich sind die Wohnungsumschläge gestiegen. Ein Makler fordert von den Mietern heute für die gleiche Tätigkeit um rund 200 Prozent mehr. Und das ist absurd.

derStandard.at: Die Regierung will das nun ändern…

Köppl: Ich hoffe. Es ist ja auch im Regierungsprogramm vereinbart. Bisher gab es auch schon Gespräche der AK, der Vertreter der Immobilienmakler und Beamten des für die Provisionsbegrenzung zuständigen Wirtschaftsministerium. Bisher leider ohne Ergebnis. Ich möchte auch nochmals betonen: Für die Mieter gibt es bezüglich der Makler keine Wahlmöglichkeit. Sie müssen den vom Hausherrn beauftragten Makler nehmen, um die Wohnung zu bekommen. Der Mieter ist ausgeliefert und er muss die ganze Provision zahlen, wenn er die Wohnung mieten will.

derStandard.at: …während der Makler tatsächlich ja nur dem Vermieter die Arbeit abnimmt…

Köppl: Richtig. Wenn man den Europavergleich macht, ist Österreich wirklich das Schlaraffenland für Makler. Zudem sind die gesetzlich zu erbringenden Leistungen minimal. Nach dem Maklergesetz reicht es bereits zum Kassieren der hohen Provisionen, wenn eine konkrete Adresse genannt wird. Und die Erfahrung vieler Wohnungssuchender ist, dass die Makler oft nur sehr rudimentäre, oftmals auch falsche Angaben zu den Wohnungen machen. Und viele lehnen vertraglich auch jede Haftung für die Richtigkeit ihrer Angaben ab.

derStandard.at: Zu den Instandhaltungspflichten: Es geht nichts weiter, niemand kennt sich aus…

Köppl: Naja, ganz so ist es nicht. Die AK hat durch die OGH-Urteile schon viel erreicht. Sehr viele Vermieter, insbesondere gemeinnützige Bauvereinigungen, aber auch die Gemeinde Wien bezahlen bereits kaputte Heizthermen. Auch bei privaten Vermietern spricht sich schön langsam herum, dass die Urteile auch für sie Rechtsgültigkeit haben.

derStandard.at: Geht das auch ohne Prozess schon vonstatten?

Köppl: Wie bereits angeführt – viele gemeinnützige Bauvereinigungen und die Gemeinde Wien halten sich bereits daran. Aber viele vor allem auch private Vermieter haben noch ihre eigene Rechtsauslegung. Die AK verlangt aber eine Gesetzesänderung, in der die Erhaltungspflichten klar geregelt sind, damit auch der letzte uneinsichtige Vermieter erkennt, was das Urteil bedeutet.

derStandard.at: Ihre Empfehlung, ganz konkret: Ausmalen beim Auszug – ja oder nein?

Köppl: Unserer Meinung nach besteht keine Ausmalverpflichtung, wenn man den "üblichen Gebrauch" gemacht hat. Es besteht auch keine Verpflichtung, eine Therme zu erneuern, wenn sie kaputt gegangen ist. Auch andere Dinge, die in der Wohnung kaputt werden, sind Sache des Vermieters, wenn diese bereits bei Anmietung in der Wohnung waren. Ein Punkt, der unserer Ansicht nach allerdings Aufgabe des Mieters ist, ist die Wartung der Therme, das heißt die Überprüfung der Funktionsfähigkeit.

derStandard.at: Noch eine Frage zum Bauträgervertragsgesetz: Der Wohnungskäufer kann sich jetzt zwei Prozent zurückbehalten, um mögliche Gewährleistungsansprüche durchzusetzen. Besteht da nicht die Gefahr, dass die Bauträger die Preise gleich um diese zwei Prozent hinaufsetzen?

Köppl: Nein. Die Preise werden sich dann weiter erhöhen, wenn die Nachfrage weiter so stark steigt, und nicht, wenn einzelne Preiskomponenten sich geringfügig ändern. Insbesondere haben viele effiziente Bauträger und Bauträger mit guter Bonität auch Kompensationsmöglichkeiten. Deshalb wird das Bauträgervertragsgesetz auch zu keiner zusätzlichen Preiserhöhung führen.

derStandard.at: Wird durch die neuen gesetzlichen Regelungen auch sorgfältiger gebaut werden?

Köppl: Ich hoffe. Es gibt aber nach wie vor Firmen, die auf Grund ihrer Bonität, Eigenkapitalausstattung und ihrem Know-how eigentlich nicht als Bauträger auftreten sollten. Aber durch das Bauträgervertragsgesetz wird für die Wohnungskäufer das Risiko eines Konkurses oder schlechter Bauausführung vermindert – durch den Haftrücklass und durch das neue Ratenplanmodell. Damit ist der Wohnungskäufer auch im Fall eines Konkurses besser abgesichert. (derStandard.at, 4.2.2008)