Was die zwei Vorarlberger Familienhotels im Winter auszeichnet? ein Skilift, der tatsächlich zum Greifen nahe ist. Von beiden Häusern kann man direkt in das Skigebiet einsteigen.

Foto: Chesa Valisa

Mama liegt im Ziegenbutterbad, Papa lässt sich zeigen, wie man auf Fellen den Berg bezwingt, und Oma schnallt sich die Schneeschuhe an. Während sich's die Familie gutgehen lässt, haut sich Pauli vor dem Naturhotel Chesa Valisa im Kleinwalsertal mächtig ins Zeug. Mit Schneeschaufel und allem, was man so braucht für einen Riesenschneemann. Später wird Kinderfrau Florence Paul und den anderen kleinen Schneebaumeistern im "Kinderspielbereich" heiße Schokolade servieren, dann geht's indoor weiter. Höhlen bauen, basteln, malen. Fünf Tage die Woche macht Florence Fritz im Chesa Valisa in Hirschegg Kinderprogramm.

Florence, die lustige Französin, ist seit 13 Jahren Gästekinder-Betreuerin. Gestartet hat sie ihr Kleinwalsertal-Abenteuer als Au-pair bei der Hoteliersfamilie. "Bei unseren vier Kindern hat sie den Härtetest bestanden", lacht Klaus Kessler. Die Urlaubserfahrungen der Familie Kessler waren gleichzeitig die Basis für ihre Hotelphilosophie, ergänzt Sieglinde Kessler: "Unser Konzept waren ganz einfach die eigenen Bedürfnisse und Wünsche." Zum Beispiel: "Das Kinderprogramm soll nicht von der Anzahl der Kinder im Hotel abhängen. Bei uns findet Kinderbetreuung statt, egal ob ein Kind oder zehn Kinder im Haus sind."

Das Biohotel am steilen Sonnenhang von Hirschegg ist kein Kinderhotel. Auch kein deklariertes Familienhotel. Dennoch wurde es kürzlich vom Reisemagazin Geo Saison zum besten europäischen Familienhotel gekürt. "Wir sehen uns als Hotel für die ganze Familie", sagt Klaus Kessler, "als Hotel für alle Generationen." Das bedeute, dass "jeder auf den anderen Rücksicht nimmt". Die Kesslers liefern die Voraussetzungen: viel, viel Freiraum, eigene "Ruhebereiche" für Familien am Pool, großzügige Familienzimmer mit kleiner Schrankküche, einen Teil im gemütlich verschachtelten Restaurantbereich, der nur für Familien reserviert ist. Außerdem Billard, Tischfußball und Disco für die größeren Kids. Und: Baubiologie im ganzen Haus, österreichisch-asiatische Bioküche, Raucherlaubnis nur in der Bar.

Immer frei heraus

Der Spagat zwischen Wellness- und Familienhotel funktioniert, "weil wir so viel Platz rund um das Haus haben", sagt Sieglinde Kessler. "Freie Kinder in freier Natur", lautet die Devise. Wer etwa rodeln will, schnappt sich einfach eine Rodel mit grüner Markierung, das sind die Hotel-Rodeln. Rückentragen können jederzeit geliehen werden, im Sommer Babyjogger. Skiausrüstung gibt's im Verleih um die Ecke. Der Skikindergarten ist auch nur einige Meter entfernt, der Skilift ist zum Greifen nahe. Im Sommer wird aus der Schneelandschaft ums Hotel ein alpiner Spieldschungel. Mit Wasserrad und Bach. Den teilen sich die Kinder dann mitunter auch mit den kneippenden Großeltern.

Der Eingangsbereich im Hotel Lagant ist zugeparkt. Mit Kinderwagen. Es rasen aufgedrehte Drei- bis Zwölfjährige die Stiegenhäuser rauf und runter, dazwischen schaukelt ein Vater sein Baby mit "La le lu, nur der Mann im Mond schaut zu" in den Schlaf. Anderswo würde das Personal ob dieser scheinbar chaotischen Szenerie säuerlich reagieren, aber hier, im Familienhotel Lagant in Brand, ist sie Teil des Betriebskonzeptes. Die Hoteleigentümerin Andrea Schwärzler erklärt dies so: "Urlaub bedeutet für Familien nicht zwangsläufig Erholung, denn oft gerät man in der neuen Umgebung in Stresssituationen. Wir befassen uns damit, solche Stresssituationen zu minimieren."

Etwa beim Frühstück, wenn Eltern für mehrere Kinder Sachen vom Buffet holen, Brote schmieren, das Baby füttern müssen ... "Bis alle versorgt sind, haben die Eltern noch keinen Kaffee getrunken", so Schwärzler. Also dürfen sich die Kleinen an einem eigenen, gut erreichbaren, speziell ausgestatteten Kinderbuffet selbst bedienen. Anderes Beispiel: Um Eltern von Säuglingen eine Anreise mit wenig Gepäck zu ermöglichen, wird vom Babyfon bis zum Fläschchenwärmer alle benötigte Hardware zur Verfügung gestellt.

Da Eltern im Urlaub gelegentlich lange schlafen möchten, können sie einen "Ausschlafservice" in Anspruch nehmen. Ausgebildete Babysitter holen die Kleinsten schon ab sieben Uhr morgens im Zimmer ab. Um die älteren Kinder kümmern sich bei Bedarf drei Pädagogen, die immer im Haus sind, und je nach saisonalem Andrang auch eine Anzahl von Hilfskräften.

Anderswelt Urlaub

Ziel sei jedoch nicht, "Kinder auf dem schnellsten Weg in die Kinderanimation abzuschieben, damit die Eltern sich in Ruhe erholen können", das sei ein "veraltetes Konzept", stellt Andrea Schwärzler klar. Denn oft sind beide Elternteile berufstätig, haben daher wenig Zeit für die Familie und möchten im Urlaub etwas gemeinsam erleben. Für sie werden "Eltern-Kind-Erlebnisse" organisiert, wie die "Reise in die Anderswelt", eine nächtliche Fackelwanderung.

Wem die Verwandtschaft zu stressig ist, der kann ihr ausweichen: Allen Altersgruppen stehen im Haus eigene Räume zur Verfügung: das Spielzimmer für die Kleinsten, eine "Kreativ-Werkstatt" mit Bastelmaterial für Größere und eine "Chill-out-Lounge" für die Jugendlichen. Das Herz der Anlage bildet aber eine ehemalige Tennishalle, die kurzerhand in einen multifunktionalen Spielplatz umgemodelt wurde. Dort steht auch die riesige hölzerne Ritterburg, die von früh bis spät intensiv belagert und verteidigt wird.

Dieses Konzept fügt sich in ein größeres Ganzes: Brand setzt gezielt auf Familientourismus und baute die Infrastruktur entsprechend aus. (Jutta Berger, Michael Heinzel/DER STANDARD/Printausgabe/9./10.2.2008)