Architekten Michael Wildmann, Irene Prieler: "Wir überzeugen sicher nie einen Bauherrn davon, dass er irgendwas braucht, das er nicht haben will."

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Zwei wichtigen Fragen müsse sich ein Bauherr als erstes vor allem stellen, meinen die Architekten Irene Prieler und Michael Wildmann: "Brauche ich immer so viele Quadratmeter an Wohnfläche, und muss es ein freistehendes Haus sein?" Im derStandard.at- Interview mahnen sie aber auch die Politik zur Verantwortung, in den kommunalen Flächenwidmungsplänen für die Forcierung etwa des "verdichteten Flachbaus" zu sorgen: "Wenn man sich da städtebaulich etwas überlegt, dann kommt vielleicht auch der schon vor langer Zeit abhanden gekommene Greißler wieder dorthin zurück."

Prieler und Wildmann gründeten 2005 das Architekturbüro "grundstein" mit Sitz in Wien und Linz, gleich mit einem ihrer ersten Projekte holten sie einen Anerkennungspreis beim Salzburger Holzbaupreis 2007.

Das Gespräch führte Martin Putschögl.

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derStandard.at: Warum haben Architekten oft das Image, etwas abgehobene "Künstler" und zu teuer zu sein?

Michael Wildmann: Dieser Ruf rührt wahrscheinlich daher, dass es eben gerade im Prestigebaubereich Beispiele gibt, wo sehr hohe Kosten anfallen. Das wird dann auf alle Architektenhäuser umgemünzt. Klar ist: Der größte Kostenfaktor ist auf jeden Fall nicht der Architekt. Ein zugeschnittenes Haus kann schon von Grund her kleiner konzipiert werden als ein Haus von der Stange, dadurch werden schon einmal Kosten eingespart. Natürlich kommt es auch auf die Materialien an, die man verwendet.

Irene Prieler: Ein Architektenhaus schaut eben viel durchdachter aus als jedes andere Haus, und das impliziert möglicherweise einen höheren Wert und damit einen höheren Preis, den es aber gar nicht haben muss.
Ein Faktor ist vielleicht auch, dass beim Architektenhaus die Planungsleistung explizit ausgewiesen wird. Da gibt's ein Anbot und ein Honorar nur für die Planungsleistung. Wenn man zu jemandem geht, der plant und ausführt, dann hat man einen Gesamtpreis für das Haus, die Planungsleistung wird meist nicht extra ausgewiesen. Diese Dinge auseinander zu klauben, ist natürlich für jemanden, der nicht oft damit zu tun hat, relativ schwierig. Die andere Sache ist die, dass man sich als Bauherr, wenn man mit einem Architekten baut, seiner Verantwortung bewusst sein muss und auch Entscheidungen treffen muss. Wir Architekten erarbeiten viele Dinge mit dem Bauherrn gemeinsam, hinterfragen und bieten Lösungsvarianten an – das fängt beim Fenster an, geht bis zum Fußboden und zur einzelnen Steckdose. Für den Bauherrn ist das manchmal schwierig, weil er die Entscheidungen treffen muss. Wenn man ein fertiges Haus kauft, dann sind diese Entscheidungen schon alle getroffen.

derStandard.at: Ist das nicht ein Grund dafür, dass die Fertighausbranche nach wie vor steigende Absatzzahlen einfährt?

Prieler: Beim Fertighausanbieter bzw. in den Fertighausparks hat man ein fertiges Ding vor Augen. Aber man sieht dort nicht genau, was man kriegt, denn die Häuser stehen alle auf der ebenen Fläche. Und wo habe ich diesen Bauplatz? In den allerseltensten Fällen.

Wildmann: Bei den Fertigteilhäusern gibt's immer wieder High-End-Produkte, die sich in einer höheren Preisklasse befinden und gern als Ausstellungshäuser verwendet werden, die aber – wie man in der Branche weiß – sehr selten verkauft werden und eher nur zum Kunden-Anlocken gedacht sind; Design-Stücke, bei denen auch die Ausstattung dementsprechend ist. Da bin ich dann aber auch gleich wieder beim Architektenhaus-Preis.
Ein Haus besser zu dämmen und bessere Fenster hinein zu geben, das kostet eben einmal mehr. Diese Mehrkosten amortisieren sich aber relativ schnell. Diese Entscheidung muss ich als Bauherr eben treffen: Welche Ausstattung habe ich, was sind die Folgekosten?

derStandard.at: Soll man schon den Baugrund mit dem Architekten auswählen, oder ist das nicht notwendig?

Prieler: Wenn man genau weiß, wo man bauen will, dann nicht. Aber im Prinzip macht's natürlich Sinn, denn je früher der Bauherr zum Architekten kommt, desto leichter ist es, die Wünsche abzustimmen. Wenn der Kunde herkommt und sagt, er hat sich ein Grundstück auf einem Nordhang gekauft, wo auf seiner Südseite ein großes Haus steht, dann ist dort das gewünschte Passivhaus schwierig zu bauen, weil einfach die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Wenn er aber schon vorher kommt und sagt: "Das ist das Grundstück, ich erwäge, hier zu bauen", dann kann ich ihm sagen: "Die Rahmenbedingungen passen aber für Ihre Anforderungen nicht. Das heißt, wenn Sie hier bauen wollen und das Grundstück kaufen, müssen entweder Sie Ihre Anforderungen an das Grundstück anpassen, oder Sie schauen, ob Sie nicht vielleicht ein Grundstück finden, das besser Ihren Anforderungen entspricht." So kann man das, was der Kunde haben will, schon näher an das heranbringen, was er sich wirklich wünscht. Weil der komplexen Anforderungen, die das Bauen mit sich bringt, ist sich eigentlich kaum jemand bewusst.

Wildmann: Wobei natürlich ein Einfamilienhaus als Passivhaus in gewisser Weise schon grundsätzlich bedenklich ist, weil es von der Hausform her am schwierigsten auf Passivhausstandard zu bringen ist. Städtebaulich betrachtet sind diese Häuser auch in den wenigsten Fällen an ein öffentliches Verkehrsnetz gut angebunden, das Auto bei dieser Hausform dadurch das wichtigste Verkehrsmittel. Man muss sich also bewusst sein, dass dann die Wege, die man mit dem Auto zurücklegt, auch nicht wenig Energie verbrauchen. Der Unterschied beim Heizenergieverbrauch, ob ich jetzt ein Passivhaus oder ein Niedrigenergiehaus habe, ist unter Umständen nicht so groß wie der Energieverbrauch, der dann für die Wege aufgewendet werden muss, um zu diesem Haus hinzukommen. Dieser Aspekt wird sehr gern unter den Tisch fallen gelassen. Für uns ist das aber ein sehr wichtiger Aspekt, dass man das gesamtheitlich sieht, und nicht nur das Produkt auf der grünen Wiese.

Prieler: Wobei man unterscheiden muss: Der Architekt hat ja viele verschiedene Leistungsbereiche, für die man ihn beauftragen kann. Also die Grundstückssuche wäre zum Beispiel eine klassische Beratungstätigkeit. Wenn es dann in Richtung Bauen geht, gibt's einmal einen Vorentwurf, wo man die Wünsche des Kunden aufnimmt und schaut, wie man das in ein Gebäude bringen kann. Dann gibt's einen Entwurf-Einreichplan, eine Detailplanung, die Ausführungsplanung, Kostenberechnungsgrundlagen, Kostenschätzung… Und nicht zu vergessen die örtliche Bauaufsicht, die ein sehr wichtiger Bereich ist, gerade in der Architektenplanung. Viele Kunden glauben, dass sie Geld sparen können, wenn sie die örtliche Bauaufsicht oder die künstlerische Oberleitung weglassen, was dann oft zu dem Punkt führt, dass irgendwelche Leute sagen: Ja, wir haben zwar ein Architektenhaus geplant, aber in der Ausführung hat es dann nicht geklappt. Leider ist dann oft pauschal der Architekt der Schuldige. Aber wenn ich den Architekten nicht dafür beauftrage, dass er die Ausführung betreut und überwacht, dann ist letztendlich die einzelne Firma dafür verantwortlich. Bauen ist so komplex, es müssen viele Leute perfekt zusammenarbeiten, damit das Ergebnis letztlich stimmt. Und darum ist es extrem wichtig, dass man den Architekten auch auf der Baustelle hat und der schaut, dass alles koordiniert und so ausgeführt wird, wie es geplant wurde.

derStandard.at: Leicht- oder Massivbau – was sollte man als Bauherr wissen, wenn man vor dieser Entscheidung steht?

Prieler: Der Leichtbau erfordert generell mehr Know-how der ausführenden Firmen, was dem Gebäude letztlich nur gut tun kann. Schließlich ist der Leichtbau einfach die am meisten zeitgemäße ökologische Variante.

Wildmann: Das effektivste ist meiner Meinung nach eine Mischbauweise. Der Ziegelbau ist in der Produktion sehr energieintensiv und wird durch die steigenden Energiepreise weiter teurer. Der Leichtbau wird durch die Rationalisierung in der Produktion immer günstiger – insofern sind die Preisunterschiede also nicht mehr so hoch. Immer wichtiger wird eine schnelle Bauzeit, und die ist mit dem Leichtbau durch die hohe Vorfertigung viel leichter zu gewährleisten. Es will ja auch fast niemand mehr selbst die Mauer aufstellen, und der geringere Arbeitseinsatz beim Leichtbau verstärkt die Tendenz dazu noch mehr. Der Trend weg vom Selbstbauen zum Bauen lassen ist einfach da.

derStandard.at: Und der unterstützt den Leichtbau?

Wildmann: Ja, weil der Leichtbau besser rationalisieren kann. Weitere Vorteile liegen in der Ausbildung der Anschlüsse, in den Details, die einfach wärmetechnisch besser funktionieren. Was beim Leichtbau aber fehlt, ist Speichermasse, die vor allem im Sommer wichtig ist.

Prieler: Selbst zu bauen macht eigentlich keinen Sinn. Das Gebäude ist nichts wert, weil auf jedem Ziegel, den man selber mauert, keine Gewährleistung drauf ist, keine Garantie. In Wien sieht man das zur Genüge, dass viele Menschen ihre Dachgeschoße ausbauen und dann glauben, sie können das zum Marktpreis verkaufen. Und es gibt natürlich auch viele Leichtgläubige, die das einfach nicht wissen.

derStandard.at: Die Bauwirtschaft präsentierte im Herbst eine Umfrage (siehe "Nachlese"), bei der angehende Häuslbauer gefragt wurden, was passieren müsste, damit sie nur auf professionelle Baufirmen zurückgreifen und auf die so genannte "Nachbarschaftshilfe" verzichten. Das Ergebnis war, dass die Preise dafür um 30 Prozent sinken müssten.

Prieler: Das zeigt den engen Blickwinkel, der meist nur auf die Herstellungskosten fokussiert.

derStandard.at: Ähnlich ist es beim Passivhaus: Viele sehen nur die anfänglichen Mehrkosten von 10-15 Prozent und nicht die Einsparungen, durch die sich die Mehrkosten binnen kurzer Zeit amortisieren…

Prieler: Die Wohnbauförderung hat hier bereits reagiert in dem Sinn, dass nur noch gut geplante und bestimmten Nachhaltigkeitskriterien entsprechende Objekte gefördert werden. Nur so hat es Sinn, öffentliche Gelder zu investieren.

Wildmann: Man muss einfach Prioritäten setzen: Will man jetzt weniger Erhaltungskosten und ein gewisses Raumangebot, das man sich leisten kann? Und wenn man auch noch ein freistehendes Haus will, dann muss man eben woanders sparen. Dann gibt's halt nur noch 150-Quadratmeter-Häuser und keine 300-Quadratmeter-Häuser mehr.

Prieler: Das sind so Rahmenbedingungen, die man wissen und evaluieren muss. Und das kann man in einem Beratungsgespräch mit einem Architekten abklären. Man muss natürlich auch offen sein für die Ratschläge, die daherkommen. Es gibt da gerade in Österreich die Position: Das will ich, und das muss es jetzt sein.

derStandard.at: Der viel gepriesene "verdichtete Flachbau" – ist das ein Thema bei Häuslbauern, oder spielt der eher keine Rolle?

Wildmann: Er spielt derzeit leider kaum eine Rolle, ist aber eine gute Antwort auf das vorherrschende Thema kostengünstiges nachhaltiges Bauen. Es hat ja schon in den 60er-, 70er-Jahren Beispiele gegeben, die funktionieren und leistbar sind, etwa von Roland Rainer. Man muss sich bei diesem Thema nach der Decke strecken: Der Grund wird weniger und immer teurer, die Energie wird teurer, dadurch wird auch das Bauen teurer. Die Einfamilienhäuser aus den 70er-Jahren haben eine ganz andere bauliche Qualität als heutige Häuser, sind in der Erhaltung unleistbar und unverkäuflich – da gibt's nur Abreißen oder Sanieren. Was billiger ist, muss man von Objekt zu Objekt entscheiden.

Prieler: Je effizienter das Grundstück ausgewählt ist, und man somit einen hohen Energieeintrag für sein Gebäude erzielen kann, umso weniger Wärmedämmung braucht man, umso günstiger kann man also bauen und hat im Vergleich zum schlechteren Grundstück die viel bessere Wohnqualität zum selben Preis.
Ein Bauherr hat viel Verantwortung, und die muss man ihm bewusst machen. Was bedeutet das für eine Gemeinde, wenn ein Haus viel Fläche braucht? Was gibt's da für eine Qualität, wenn ein Haus neben dem anderen steht und keines davon mehr wirklich Grünfläche hat, wo es keine Infrastruktur gibt und keine wirklich verfügbaren Freiflächen? Wenn man sich da städtebaulich etwas überlegt, dann kommt vielleicht auch der schon vor langer Zeit abhanden gekommene Greißler wieder dorthin zurück.

Wildmann: Man muss sich fragen: Brauche ich immer so viele Quadratmeter an Wohnfläche, und muss es ein freistehendes Haus sein? Das sind die großen Kostenfaktoren, und da ist einerseits die Politik, andererseits sind auch die Planer gefordert, in diese Richtung Überzeugungsarbeit zu leisten.

derStandard.at: Die Frage ist: Kann man es sich als Architekt überhaupt leisten, den Kunden von etwas überzeugen zu wollen, was er vielleicht gar nicht will?

Prieler: Wir schauen, was der Kunde will, und erklären ihm dann, wie wir in unserem Gedankengang zu der Lösung kommen und konfrontieren ihn dann mit dem, was wir als Lösung für seine Aufgabenstellung verstehen. Und daraus entsteht dann eine Diskussion, und aus dieser dann das Gebäude. Aber wir überzeugen sicher nie einen Bauherrn davon, dass er irgendwas braucht, das er nicht haben will.

Wildmann: Der Bauherr muss schließlich die Entscheidungen treffen. Wir können die Lösungen aufbereiten und die Vor- und Nachteile beschreiben, also die Entscheidungsfaktoren liefern. Aber im Endeffekt muss sich der Kunde entscheiden. Er muss damit leben und das auch bezahlen. (derStandard.at, 18.2.2008)