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Abgelaufen ist bei Northern Rock die Uhr für private Interessenten: Es folgt die erste Verstaatlichung in Großbritannien seit den 70er-Jahren.

Foto: Reuters/Scott Heppell
Die Suche nach einem privaten Investor für die angeschlagene britische Bank ist vorerst gescheitert. Eine Verstaatlichung steht bevor. Virgin-Chef Richard Branson, letzter Bieter für NR, ist enttäuscht.

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London - Nach monatelangem Zögern und der vergeblichen Suche nach seriösen Privatinvestoren will die britische Labour-Regierung das illiquide Hypothekeninstitut Northern Rock (NR) nun doch verstaatlichen. Premierminister Gordon Brown verteidigte dies am Montag als "richtige Entscheidung zur richtigen Zeit mit der richtigen Begründung". Es sei darum gegangen, die Interessen der Steuerzahler wahrzunehmen, bei denen NR direkt oder indirekt mit rund 55 Milliarden Pfund (73 Mrd. Euro) in der Kreide steht.

Schatzkanzler Alistair Darling legte dem Unterhaus einen Gesetzentwurf vor, in dem von "zeitweiligem öffentlichen Besitz" die Rede ist. Wie lang diese Periode dauern wird, mochte der Finanzminister nicht prognostizieren: "Das hängt von der Entwicklung der Finanzmärkte ab."

Fachleute in der Londoner City halten einen Mindestzeitraum von drei Jahren für wahrscheinlich. Ausdrücklich verwies Premierminister Brown auf die USA sowie die IKB-Bank in Deutschland: "Großbritannien ist in einer besseren Position, mit der globalen Turbulenz fertigzuwerden."

NR hatte sich in den vergangenen Jahren durch aggressive Kreditvergabe und hochriskante Schuldverschreibungen zur fünftgrößten Hypothekenbank des Landes hochgearbeitet. Im September musste das in Newcastle ansässige Institut bei der Notenbank um Hilfe bitten. Die Opposition sieht den Ruf des Finanzministers und seines Regierungschefs beschädigt (der zuvor zehn Jahre lang Chancellor of the Exchequer war).

Enttäuscht äußerte sich Multiunternehmer Richard Branson, dessen Virgin-Konsortium zuletzt als einziger externer Bieter übriggeblieben war. Die Aktionäre wollen vor Gericht gegen ihre Enteignung vorgehen; sie hätten einen Rettungsplan vorgezogen, den das kürzlich ausgewechselte Management vorgelegt hat.

Ab sofort wird die Bank vom Deutschen Ron Sandler (55) geleitet. Der versierte Bankenexperte genießt in der Londoner City einen hervorragenden Ruf, seit er das Versicherungskonsortium Lloyds of London stabilisierte. Sandler sprach am Montag in Newcastle mit Management, Gewerkschaften und Aktionärsvertretern. Dem in der Region fest verankerten Unternehmen steht nun ein schmerzhafter Abbau von Arbeitsplätzen bevor. (Sebastian Borger, London, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.02.2008)