"Achtung, spielende Kinder" in Sarajevo.

Foto: Klaus Stanzer

Foto: Klaus Stanzer

Ich fuhr um 18 Uhr am Busbahnhof Erdberg in Wien weg, kam um 6 Uhr früh am Busbahnhof in Sarajevo an. Dazwischen ein paar Busausstiege an den Grenzen, ein paar nette Gespräche mit den Businsassen, ein paar Kälte-Eindrücke in der Nacht und eine schöne Stadt, die langsam aus dem Morgengrauen auftauchte. Ich will berichten, was ich selbst erlebt und nicht in Reiseführern gelesen habe – die habe ich nämlich gar nicht gehabt.

Ich hatte nur ein paar Euroscheine eingesteckt und wusste nicht, mit welcher Währung man in Bosnien zahlte, da half mir gleich der Fahrer der aus Wien gekauften Tramway mit einer kleinen Währungskunde auf Englisch und ein paar Wechselmünzen weiter. Er brachte mich auch gleich zum Hostal Ljubicica, in der Altstadt gelegen. Ich musste von der Station weg nur ein paar Schritte zu Fuß machen und einmal die Straße überqueren, dann empfing mich die Herbergsmami aufs herzlichste und begleitete mich hinauf ins Zimmer, wo ein paar Menschen schliefen und mir dann doch einen guten Morgen wünschten, auf Englisch.

Da am Busbahnhof kein Bankomat war, musste ich schnell runter in die engen Gassen beim Basar, dort konnte ich ein paar bosnische Mark herausziehen und meine zwei Übernachtungen bezahlen. Das Frühstück bestand aus Hagebuttenmarmelade und bosnischem Schafkäse, dazu noch zwei gebratene Eier und zwei Scheiben Brot.

Dann begann ich meinen Stadtspaziergang, fand ein Internetcafé, in dem ich ein paar Mails checken konnte und schoss ein paar Fotos. In der alten Stadt ein paar Häuser mir Narben von Gewehrsalven, aber im Großen und Ganzen sind die Häuser in der Stadt schön und relativ niedrig, sodass man den Himmel sehen kann. Nur die Gassen sind manchmal ein bisschen eng, dann kriecht die Kälte herein und kann nicht wieder hinaus.

Am Abend ging ich mit einem jungen Japaner, den ich in der Jugendherberge kennen gelernt hatte, den Fluss Miljacka entlang. Wir machten ein paar Fotos von den beleuchteten Gebäuden und den flatternden Tauben, dann aßen wir Cevapcici mit Zwiebelstücken und frischem Brot und tranken eine Dose Coca Cola dazu, alles in der old town. Die Einschüsse an den Häusern am Fluss sind Narben, die in der Laternenbeleuchtung seltsame Schatten werfen. Momentan hat man dort wichtigere Sachen zu tun, als die kleinen Krater zuzuschmieren. Vielleicht ist die sichtbare Erinnerung auch gar nicht schlecht.

Es ist kalt geworden am Abend in Sarajevo, die Steine vor dem Brunnen bei der großen Moschee im alten Stadtzentrum sind von einer feinen Eisschicht überzogen, ein Mann rutscht aus, als er einen Schluck nehmen will, er fängt sich aber, bevor er zu Boden geht. Der Atem bleibt in der Luft hängen, ein paar Lichter auf den Bergen, die der Stadt das Tal machen, der Mond steht über dem Minarett beim Taubenbrunnen, wir trinken noch ein Bier und gehen zurück in die Herberge.

Am nächsten Tag besuche ich die Zone ums Olympiastadion: eine Straße hinauf, vorbei an der gut gesicherten amerikanischen Botschaft. In der großen Eishalle beim Stadion findet gerade eine Sportveranstaltung statt. Samstag Vormittag, der Parkplatz füllt sich langsam mit den Autos der Eltern, die ihre Kinder dorthin bringen.

Ein großer Friedhof mit vielen weißen, spitzen Grabsteinen, ein islamischer Friedhof, viele Tote liegen hier und überall in der Stadt, es ist bitterkalt. Dann gehe ich weiter zum Kosevo-Market, in der Nähe des Stadions, trinke einen kleinen Kaffee, kaufe ein halbes Kilo Dörrzwetschken vom Marktverkäufer Josch, dazu noch ein Kilo Karotten, setzte mich in ein kleines Marktrestaurant und esse noch einmal Cevapcici mit Zwiebelstücken und frischem Brot. Dazu trinke ich zwei Srajevska-Pivo, dann noch einen Kaffee aus einer kleinen Tasse, zum selber Nachschenken aus der Kaffeekanne mit langem Stiel. Die Sonne scheint hoch oben, ein Mann mir gegenüber lacht herzlich und gibt einem kleinen Burschen einen Lutscher und einen Wangenkniff, danach leert er sein kleines Rakiglas, der kleine Kerl steht da, die Füße fest am Boden, wie der Kaffeesud, und blickt ganz ernst und erwachsen zurück.

Draußen, vor dem großen Fenster hat eine Frau, die auf Bananenschachteln getrocknete Kräuter zum Verkauf anbietet, bereits einen halben Socken fertig gestrickt. Der Socken ist gewachsen, mein Hunger ist fort, ich bezahle und gehe zurück ins Stadtzentrum. Obwohl es frostig ist, sitzen die Menschen auf den Explanaden vor den Cafés. Samstag Nachmittag und alles ist voll mit Handschuhen und Hauben und Sonnebrillen und vielen Zigaretten, so viel Leben, einfach schön. Da ist wenig Platz für die Tauben, die mehr flattern als spazieren, ich gehe zum Postoffice und schicke noch schnell drei Karten weg.

Steil geht es danach die Stadt hinauf, enge Gassen und viele Moscheen, dann setze ich mich hin, blicke über die Stadt, sehe viele Minarettspitzen aus dem Dunst ragen und die Häuser auf den gegenüberliegenden Hügeln. Weiße Grabsteinnadeln, Hunde bellen und ein paar Schafe blöken zufrieden in den Samstagnachmittag. Ich esse ein paar Zwetschken und Karotten, dann gehe ich hinunter, am Abend treffen wir uns, drei Spanier, der Japaner und ich, um etwas zu essen und danach noch auszugehen. Am Ende des Abends trinken wir noch zwei kleine Biere in der Buddha-Bar, coole Musik und nette Leute, leider verstehe ich kein Wort. Untereinander sprechen wir Spanisch, dann gehe ich zurück in die Herberge, um noch ein paar Stunden zu schlafen.

Um 7.30 in der Früh bin ich am Busbahnhof, diesmal ein anderer Straßenbahnfahrer als beim Ankommen. Ich trinke noch einen Tee, und um 8 geht´s los, zurück Richtung Wien. Um 22 Uhr bin ich in Erdberg, noch einige Bilder der schönen bosnischen Landschaft und der freundlichen Menschen im Kopf, und das Lachen des Busfahrers und der Frauen im Bus im Ohr. (Klaus Stanzer, Februar 2008)