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Das frühere Konzentrationslager Majdanek im polnischen Lublin. Erna Wallisch, die zwischen 1942 und 1944 dort Aufseherin war, wollte von den Ermordungen und Gräueltaten nichts mitbekommen haben.

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Screenshot zeigt die ehemalige KZ-Aufseherin Erna Wallisch waehrend eines Interviews für den Dokumentarfilm "Der Prozess" (Erstausstrahlung 1984) von Regisseur Eberhard Fechner.

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Zuletzt hat der Staatsanwalt wegen Mordverdachts gegen Erna Wallisch ermittelt. Die frühere Wächterin im KZ Majdanek lebte bis zu ihrem Tod vergangene Woche unbehelligt in Wien.

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Wien – Die frühere KZ-Aufseherin Erna Wallisch, die seit Ende des Krieges in Wien-Donaustadt gelebt hatte, ist vergangenen Samstag während eines Krankenhausaufenthaltes 86-jährig gestorben. Die 1922 als Erna Pfannstiel in Thüringen geborene Wallisch war von Oktober 1942 bis zum Jänner 1944 Aufseherin im Konzentrationslager Majdanek, in einem Vorort der polnischen Stadt Lublin. Mit 19 hatte sie sich bereits als Aufseherin in Ravensbrück beworben.

In Majdanek soll sie laut dem Simon-Wiesenthal-Center Gefangene gequält und in den Tod geführt haben. Wallisch selbst hatte stets beteuert, kaum Kontakt zu den Häftlinge gehabt zu haben und diese nur bei der Arbeit in der Gärtnerei oder Schneiderei beaufsichtigt zu haben. Von dem Massenmord und den Gräueltaten im Lager wollte Wallisch nichts mitbekommen haben.

79.000 Ermordete

Im Herbst 1942 waren in Majdanek Gaskammern eingerichtet worden. Ein Jahr später erschossen die Nazi-Schergen bei der "Aktion Erntefest" an einem einzigen Tag alle 18.000 Insassen. Insgesamt wurden 79.000 Männer, Frauen und Kinder in Majdanek ermordet. "Ich war an Gewalttätigkeiten nicht beteiligt und habe so etwas auch nicht gesehen", sagte Wallisch später.

Wallisch, die in Majdanek ihren österreichischen Mann Georg kennengelernt hatte, übersiedelte kurz nach Kriegsende nach Wien. Sie nahm die österreichische Staatsbürgerschaft an und arbeitete als Putzfrau. Die Ehe wurde in den 50er-Jahren geschieden.

Ermittlungen bereits 1965

Bereits 1965 wurde gegen sie ermittelt. Für eine direkte Beteiligung an Tötungen mangele es an Beweisen, hieß es damals, das Delikt der Beihilfe zum Mord war verjährt. Auch ein 1973 eingeleitetes Verfahren wurde bald wieder eingestellt.

Vor zwei Jahren tauchten neue Zeugenaussagen von polnischen Überlebenden auf. So soll Wallisch ein Baby "wie ein Stück Holz" zu Boden geschleudert haben. Eine Augenzeugin berichtete im April 2007 von einer schwangeren Frau, die einen Häftling mit einer Latte erschlagen habe, wieder fiel der Verdacht auf Wallisch. Diese war zu dem Zeitpunkt mit ihrem ersten Kind schwanger gewesen.

Verfahren beendet

Im Februar 2006 hatte Efraim Zuroff, Direktor des Wiesenthal-Centers in Jerusalem, an die polnische Regierung appelliert, sich um die Auslieferung Wallischs zu bemühen, weil das polnische Gesetz keine Verjährung für Kriegsverbrechen vorsehe. Die Staatsanwaltschaft Wien hat zum Zeitpunkt ihres Todes wegen Mordverdachts gegen sie ermittelt. Gerichtlich geklärt werden die Vorwürfe nun nicht mehr. Das Verfahren gegen Wallisch wird "von Todes wegen beendet", hieß es am Donnerstag bei der Staatsanwaltschaft Wien.

Das Simon-Wiesenthal-Center in Jerusalem kritisiert die "lange Untätigkeit" der Justiz. Efraim Zuroff betonte in einer Aussendung, dass Wallischs Tod die strafrechtliche Verfolgung verhindert habe. "Erna Wallisch und ihre Familie können dem jahrzehntelangen Versagen der verschiedenen österreichischen Regierungen dafür danken, dass sie niemals für ihre Rolle im Todeslager Majdanek und im Konzentrationslager Ravensbrück bestraft wurde." (Bettina Fernsebner-Kokert, DER STANDARD, Printausgabe 22.2.2008)