Für Ausstellungsverantwortliche sind Kunstversicherungen selbstverständlich, aber auch der private Markt boomt derzeit.

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Wien - Sandalen sind nicht Sandalen, für Tutanchamun hatte man goldene gefertigt. Zusammen mit anderen wertvollen Grabbeigaben sind sie demnächst in einer Ausstellung im Völkerkundemuseum zu bewundern. Der Wert der 70 präsentierten Exponate ist aus Sicht der Historiker unermesslich, aber versicherbar. Ob auf Zerstörung durch Feuersbrünste, Diebstahl oder auch Beschädigung durch Dritte beim Transport.

Gut, derlei wird ja von klassischen Produkten wie einer Hausrat- oder Haftpflichtversicherung gedeckt, ist man geneigt zu denken. Bloß, der Schadensreferent wird sich an den Zeit- und nicht den Wiederbeschaffungswert halten, weil beide Versicherer nur diese Deckung bieten. Das mag man sich als Ausstellungsverantwortlicher angesichts des Alters von 3300 Jahren (= nicht neuwertig) gar nicht vorstellen wollen. Garantiert läge er nicht bei 18 Euro, dem Eintrittspreis der Ausstellung. Es ist nicht egal, ob man Sandalen oder den Teil eines historischen Schatzes und damit Kunst versichert. Selbst wenn der Außendienst vergleichbare Argumente anführt.

Spezialisten sehen das freilich anders und bieten entsprechend umfangreiche Deckungen. Kunstversicherungen sind zwar ein Nischenmarkt, haben aber an Bedeutung gewonnen. "Noch vor zehn Jahren war das Missionarstätigkeit", erinnert sich Nikolaus Barta, auf Kunstversicherungen spezialisierter Makler. Seine Hauptklientel sind private Sammler, gefolgt von Galeristen und Museen auf der ganzen Welt. Die Versicherungssummen reichen von 50.000 Euro (privat) bis zu einer Milliarde (Ausstellungen). Allein im Privatbereich schätzt Barta das Prämienaufkommen derzeit auf rund zwei Milliarden Euro und dieses steigt jährlich um rund 15 Prozent. Für die Welt der Kunst maßgeschneiderte Versicherungen sind gefragt wie nie zuvor.

Und das hat - abgesehen von der wahrhaft relevanten Differenz zwischen Zeit- und Wiederbeschaffungswert - auch seine guten Gründe. Denn Schadensfälle können hier eine völlig andere Tragweite haben, an folgendem Beispiel erklärt: Das vor zehn Jahren für vergleichsweise günstige 40.000 Euro im Kunsthandel erworbene Bild von Andy Warhol macht sich ganz gut oberhalb des neuen offenen Kamins. Sonja W. freut sich auf einen romantischen Abend, das Buchenholz liegt bereit und Ehegatte Gerhard beginnt mit der ersten Befeuerung. Eine Stichflamme später: Die Kaminbesitzer blieben unverletzt, nicht aber das Gemälde. Aus Sicht des Sachverständigen nicht mehr restaurierbar, ein Totalschaden. Das Ehepaar W. wiegt sich in Sicherheit, beim Abschluss der Hausratversicherung wurde das ja berücksichtigt. Kunst ist im Kleingedruckten angeführt, die Versicherungssumme beträgt 250.000 Euro, der Warhol-Kaufpreis wird also mit Sicherheit ausbezahlt. "Nein, denn hier handelt es sich um einen Sengschaden", erklärt Barta, "und der ist gemäß den allgemeinen Geschäftsbedingungen für Hausrat-, Feuer- und Gebäudeversicherer nur dann gedeckt, wenn er als Folge eines Brandes, eines Blitzschlags oder einer Explosion eintritt." Bei Kunstversicherungen sind dagegen auch solche Szenarien versicherbar.

Und darüber hinaus: Der Wert für Arbeiten Warhols hat sich im vergangenen Jahrzehnt vervielfacht, "unsere Deckung würde über den Kaufpreis hinausgehen und jenem Preis entsprechen, der heute in einer Galerie zu bezahlen ist", so Barta. Konkret zumindest 70.000 Euro.

Sonderfall Kunst

Die Gefahren lauern auch im gewerblichen Bereich. Verschwindet ein Werk während einer Vernissage, handelt es sich dabei aus Sicht einer Betriebsversicherung nicht um Diebstahl. Gemäß den Versicherungsbedingungen müsste die Überwindung eines Hindernisses (Eingangstür) oder Einbruchsspuren vorliegen.

An der Spitze des Schadens-Rankings stehen klar Eigentumsdelikte. Der Anteil im Privatbereich liegt bei 56 Prozent, "die Aufklärungsquote vielleicht bei 20 Prozent", schätzt Barta. Und im Gegensatz zu Kunstwerken aus Museen, die am freien Markt nicht verkäuflich sind, kann mit gestohlenen Kunstschätzen aus Privatbesitz vergleichsweise schnelles Geld gemacht werden. (Olga Kronsteiner / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.3.2008)