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Sophie Machatschke an der Buchdeckel-Schere

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Beim Buchstaben-Setzen für die Prägung

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Eine Heftung

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Altes Werkzeug, das zum Großteil noch immer im Einsatz ist.

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Buchpresse aus dem Jahr 1839

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Auslage

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"Ich komme aus einer kinderreichen Familie, wo Bücher eher Mangelware waren und etwas Besonderes. Waren sie kaputt, wurden sie kurzerhand zum Buchbinder gebracht." So erklärt Sophie Machatschke ihre ersten Begegnungen mit dem Buchbinder-Handwerk.

Nach der Matura wollte sie nicht studieren, sondern etwas mit den Händen machen. Da kamen die Materialien Holz oder Papier in Frage, schließlich ist es dann das Papier geworden. Betritt man ihre Buchbinderei in der Heumühlgasse Nummer Fünf im vierten Wiener Gemeindebezirk, fühlt man sich tatsächlich in vergangene Zeiten zurück versetzt.

Arbeiten wie vor 150 Jahren

Vor zehn Jahren hat sie den Traditionsbetrieb in der Heumühlgasse übernommen. Die meisten Maschinen, die Machatschke benutzt, stammen noch aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, denn das händische Buchbinden hat sich seit 150 Jahren nicht verändert. Die einzige Zierde im Raum ist eine mächtige alte Buchpresse aus dem Jahr 1839, die sogar die Fliegerbomben im zweiten Weltkrieg überlebt hat. Im Regal neben dem Eingang stapeln sich wunderschöne alte Bücher, die zur Reparatur gebracht wurden. Von der Wand blickt Alois Schmidt, der den Betrieb im Jahr 1850 gegründet hat.

Spezialisierung: Buch

Als Sophie Machatschke Ende der 80er-Jahre ihre Lehre zur Buchbinderin angetreten hat, hatte sie eine "romantische Vorstellung" davon: "Dass man natürlich auch Aufträge an Land ziehen muss, um zu überleben, daran wollte ich damals nicht denken." Dennoch ist sie sehr idealistisch geblieben: Bücher zu reparieren ist der einzige Luxus, den sie sich leistet und eine "sinnvolle Tätigkeit", die viele andere nicht machen wollen, weil es sich einfach nicht rentiert. Die goldenen Zeiten des Handwerks seien vorbei, reich werde man damit natürlich nicht. "Für mich ist es wichtiger, dass mir meine Arbeit Spaß macht und ich damit zufrieden bin", erzählt sie bei einer Tasse Fair-Trade-Kaffee.

Nahversorgerin

Das Binden von Diplomarbeiten und Aufträge aus Anwaltskanzleien und Antiquariaten machen das Hauptgeschäft der Buchbinderin aus – und sie macht durchaus nicht alles, was die Kunden wollen: "Ich verkaufe schließlich Qualität". Von richtiger Werbung hält sie nichts, denn ein guter Handwerker lebe von der Mundpropaganda.

Überhaupt sieht sich Machatschke auch als Nahversorgerin, die in der Umgebung sehr bekannt ist: "Oft kommen Kunden um sich etwas zuschneiden zu lassen und Kollegen schicken Menschen zu mir, weil sie wissen, dass ich Bücher repariere."

Hand statt Maschine

Mit der Schnelligkeit und den Preisen der Copyshops könne und wolle sie es allerdings nicht aufnehmen: "Ich kann schließlich nicht gegen Maschinen arbeiten." Bei ihr dauert das Binden einer Diplomarbeit mit Trockenzeiten zwei Werktage, im Shop eine halbe Stunde. Dabei macht erst das richtige Binden aus der Diplomarbeit ein Dokument: "Das wissen viele nicht", erklärt Machatschke.

Haltbarer sind die handgebundenen Dokumente auf jeden Fall, das wird einem spätestens dann bewusst, wenn sie erklärt, wie das Ganze eigentlich vor sich geht: Vorsatz, Schneidemaschine, Auffächern, Leimen, Trocknen, Beschweren, Einbinden, Prägen, Buchblock und Buchdecke zusammenführen und Pressen. Und diese Beschreibung grenzt eigentlich fast schon an Frevel, weil die kurzen Stichworte den Aufwand nur erahnen lassen. "Das sieht ja aus wie ein richtiges Buch", sei dann oft die überraschte Reaktion der Kunden, die die Bücher abholen.

Aussterbender Beruf

"Ein bis zwei meiner Kollegen in Wien sperren jedes Jahr zu", erzählt Machtschke. Es gibt immer weniger Arbeit, die großen Betriebe in der Peripherie dominieren das Geschäft. Schon jetzt fülle sie eine kleine Marktlücke aus. Das mache den Beruf auch manchmal schwierig, denn sie nimmt es persönlich, wenn Kunden ihre Arbeiten ewig nicht abholen und sich nicht darum kümmern, was mit ihren Büchern geschieht.

"Ich stecke viel Herzblut, Emotionen und Liebe in meine Arbeit", erzählt sie, "gerade das schätzen aber viele auch wieder". Das Schöne am Buchbinden für sie: "Die Kombination aus dem soliden Handwerk, das ich aus dem Efef beherrsche, und der Kreativität, die ich einfließen lassen kann." Irgendwann hofft sie, dass sie ihren Ein-Frau-Betrieb jemanden übergeben kann, aber bis dahin bleiben der 37-Jährigen hoffentlich noch viele Buchseiten zum Binden. (Marietta Türk, derStandard.at, 7.4.2008)