Den ehemaligen Mathe-Lehrer sieht man ihm noch an. Aber seit zwölf Jahren verkauft Anatol Mazarov elegante Kindermode.

Seit mehr als 40 Jahren ein Fixstern am Kaffeehaushimmel in der Brunnenstraße

Adi Aschenov verkauft seit 15 Jahren Wasserkocher, Textilien, Teegeschirr und noch viel mehr.

Foto: Michaela Kampl

Gewagte Kombination: Radio und Heiligenbild in Aschenovs Geschäft.

Foto: Michaela Kampl
Eine Zeit lang haben die Serben nichts Grünes gekauft. Viele wollen auch kein Orange, weil die Farbe an die Müllabfuhr erinnert. Türken kaufen kein Gelb und Rot geht für Buben gar nicht. Anatol Mazarov weiß Bescheid über die farblichen Vorlieben seiner Kunden. Seit zwölf Jahren verkauft er in seinem Geschäft in der Brunnengasse Kindermode. Ein Ottakringer Grätzel, in dem beinahe jeder vierte Bewohner kein Österreicher ist.

Jetzt soll ein Sanierungsprojekt die Brunnengasse aufwerten. Die Bauarbeiten im oberen Teil sind bereits abgeschlossen. Anfang März sollen die Baumaschinen auch im unteren Teil anrollen. Die Geschäftsleute freuen sich zwar auf erneuerte Leitungen, aber sie sind auch um ihren Umsatz besorgt. Daran, dass die Bauarbeiten bis zum Herbst abgeschlossen sind können sie nicht glauben. Es gibt aber einige Geschäfte, die sich weniger fürchten müssen. Sie sind seit Jahrzehnten Fixsterne am Brunnenmarkt. Mit jahrzehntelanger Erfahrung und vielen Stammkunden, werden sie auch diese Herausforderung überstehen.

Festliche Kleidung

Wenn sich die Tür zum Kindermodenladen von Anatol Mazarov öffnet oder schließt, macht eine Glocke auf Kundschaft aufmerksam. Die Kleiderstangen, die bis zur Decke reichen, biegen sich unter kleinen bunten Pullovern, Kleidchen und Leibchen. Die Wände sind rosa und hellblau getüncht. Hinter dem Verkaufstresen blinken Haarspangen, funkeln kleine Ohrstecker. Über all dem schwebt ein Mobile aus Stofftieren.

Mazarov hat sich auf Festtagskleidung für die Kleinsten spezialisiert. "Grundsätzlich ist die Mode bei solchen Anlassen in allen Religionen ähnlich. Der Unterschied liegt im Detail", erklärt der gebürtige Russe Mazarov. Juden zum Beispiel entscheiden sich eher für etwas Schlichtes, bei den Christen müssen die Kleidchen voller Spitzen und Rüschen sein. Mazarov glaubt, dass die Bauarbeiten lang dauern werden. "Vielleicht zwei Jahre", schätzt er. Vor Umsatzeinbußen muss er sich dank seiner vielen Stammgäste nicht fürchten.

"Sorge um die Laufkundschaft"

Weniger Meter vom Kinderladen entfernt gibt es im Café Putz den "besten Kaffee der Welt", behauptet zumindest Jordanica Petrout-Acker. Die Krankenschwester sitzt an einem kleinen Ecktisch im dunkel getäfelten Verkaufsraum der Konditorei. Vor der brünetten Frau mit dem sportlichen Kurzharrschnitt steht heute aber ein weißer Gespritzter. "Um die Uhrzeit kann ich keinen Kaffee mehr trinken", sagt sie beinahe entschuldigend.

Gemeinsam mit ihrem Mann Gerhard hat Erika Putz, die resolute 65-Jährige, vor 42 Jahren das Kaffeehaus eröffnet. "Vor 20 Jahren waren hier alles Fachgeschäfte", erzählt sie, während ihr Blick zur "Geschenke-City" auf der gegenüberliegenden Straßenseite schweift. Hinter der L-förmigen Glasvitrine im Verkaufsraum stapeln sich süße Köstlichkeiten. Neben bunt glasierten Torten gibt es Schneebälle, die Spezialität des Hauses: Ein in Pflanzenfett herausgebackenes Teigband, zu einer Kugel gerollt und mit Staubzucker bestreut. Die Bauarbeiten sind auch hier Thema. "Auf der einen Seite sind die Neuerungen ja gut, aber ich mach mir ein bißchen Sorgen um die Laufkundschaft", sagt Erika Putz.

Willkommene Ausländer

Um die Wünsche der Gäste kümmert sich die 38-jährige Radinka Schmidberger. Sie trägt eine weiße Schürze über einem rosa Rollkragenpulli, darüber eine ärmellose beige Weste und bedient frech ihre Gäste. Die Gäste diskutieren über die Demonstration der Serben gegen die Unabhängigkeit, die in der Ottakringerstraße mit einigen zerbrochenen Fensterscheiben endete, und über die Ausländer im Bezirk. Die wären ja willkommen, zumindest solche, die arbeiten.

Vielleicht meinen sie Migranten wie Edi Aschenov, der seit 15 Jahren seine Kunden mit Teeservices, Lampenschirmen, bunten Decken und vielem mehr versorgt. Die Ware für seinen Familienbetrieb beziehe er aus Deutschland und Italien, erzählt er, während er auf seinem kleinen Verkaufstresen Teeservices auspackt. Links neben ihm stapeln sich Wasserkocher neben großen roten, blauen und gelben Taschenlampen. Das Konzept der Warenauswahl ist nicht ersichtlich. Aber das Geschäft läuft. Es duftet nach Plastikfolie und Mottenkugeln.

Auch Aschenov fürchtet sich vor dem Beginn der Bauarbeiten in der Brunnengasse. "Das dauert sicher ein oder zwei Jahre", fürchtet Aneschov um seinen Umsatz. Aber die jahrzehntelange Erfahrung wird sich wohl bezahlt machen. (Michaela Kampl, 4.3.2008, derStandard.at)