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Nicolas Sarkozy, Angela Merkel bei der Cebit: Ein guter "Roter" stiftete Frieden.

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Vor der Übernahme des EU-Vorsitzes durch Frankreich ist das deutsch-französische Verhältnis gestört. Berlin ärgert sich über ständige Sponti-Aktionen aus Paris. Es schwelt ein Machtkampf um Geldpolitik und Geostrategie.

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Cebit in Hannover: "Merkel und Sarkozy finden Kompromiss zu Mittelmeer-Union" - als diese Meldung Montagabend über die Nachrichtenagenturen lief, waren nicht nur die Zentralen in Paris und Berlin erleichtert. Auch in Brüssel, Sitz der wichtigsten EU-Institutionen, ist vielen Kommissaren und den Vertretern der Mitgliedsländer ein Stein vom Herzen gefallen.

Zumindest ein Streitthema, das seit Monaten für schwere Verstimmung im deutsch-französischen Verhältnis und damit automatisch auch für Sand im komplexen Getriebe der Europäischen Union sorgte, scheint vom Tisch. Zwar beharrt Staatspräsident Nicolas Sarkozy auf Schaffung dieser Union von Mittelmeerstaaten. Aber er gelobte gegenüber Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Flasche Rotwein der Marke "Pas de Deux" - im tänzerischen Duett - sozusagen, dass das doch nur im Rahmen der EU stattfinden solle.

Allein dominieren

Bisher wollte Frankreich allein dominieren. Was aber nun erst recht wieder die Frage aufwirft, wer für die ganze "Feier" am Ende zahlen soll. Denn wirtschaftlich würden natürlich die Mittelmeer-Anrainerstaaten profitieren - so wie Sarkozys Atom- und Waffengeschäfte mit Libyens Diktator Muammar Gaddafi, die er an den brüskierten EU-Partnern vorbei dealte, natürlich allein Frankreich nützen.

"Chère Angela" Merkel machte dem "lieben Nicolas" gegenüber gute Miene zum bösen Spiel. Zuvor war man in Berlin, das den größten EU-Nettobeitrag leistet, empört über die Sponti-Aktion. Eine von vielen seit Sarkozys Wahl im Mai 2007. So will Paris die Zentralbank und deren Hartwährungskurs politisch an die Kandare nehmen und auch den strikten Stabilitätskurs bei den Staatsbudgets im Euroraum aufweichen. Ein Tabu für Deutschland. Bilaterale Treffen auf höchster Ebene wurden deshalb abgesagt.

Einfluss im Süden sichern

Sarkozys Strategen wollen, dass Frankreich machtpolitisch zulegt: Wenn die Deutschen schon von der Osterweiterung extrem profitieren, dann müssen wir uns wenigstens den Einfluss im Süden sichern, ist eine der Devisen. Merkel setzt auf Kontinuität der EU-Politik, auf Pragmatismus. Die Sprunghaftigkeit Sarkozys, sein Hang zur großen Geste, ist ihr suspekt. In Hannover beteuerte sie dennoch, dass "es zwischen uns selbstverständlich ist, dass wir uns einigen".

Das wäre für Europa in den kommenden Monaten auch absolut wesentlich. Denn es stehen neue Verhältnisse, echte Weichenstellungen bevor - auch global. In Russland tritt ein neuer Präsident an. In den USA wird im November der Nachfolger George W. Bushs gewählt. Und ab 1. Juli wird Frankreich für sechs Monate den EU-Vorsitz übernehmen, zum großen politischen "Broker" werden. Denn am 1. Jänner 2009 soll auch der neue EU-Vertrag in Kraft treten, mit ihm eine neue europäische Außenpolitik. Die Europäer bekommen ihren ersten ständigen Ratspräsidenten (Sarkozy forciert Tony Blair) und einen gemeinsamen Außenminister. Ob der rastlose, unberechenbare Franzose der Mann ist, der als "ehrlicher Makler" im EU-Vorsitz das Gemeinsame statt nationaler Profilierung sucht, daran zweifeln die meisten. Und hoffen auf Merkel.

Die hat das "arrogante Schmettern des gallischen Hahnes" (Libération) bisher mit stoischer Ruhe ausgependelt. Mit Erfolg - wie im Juni 2007, als sie dem Franzosen die Zustimmung zum neuen EU-Vertrag abrang. (Thomas Mayer, DER STANDARD, Printausgabe 5.3.2008)