"Delays and Revolutions" von Carsten Höller ist Teil der "Phase eins" in der Schau, die Aleph heißen muss.

Foto: Attilio Maranzano
Die Installationen sind sehenswert, die Kuratorenidee, Jorge Luis Borges als Ausstellungskonzept zu bemühen, ist jedoch überflüssig.


Graz – Es muss schön sein, Kunstsammlerin zu sein. Francesca Habsburg gewährte am Mittwoch bei einer Pressekonferenz im Grazer Kunsthaus Einblicke in ihren bewegten Alltag. "Ich wollte dieses Kunstwerk unbedingt", erzählt sie über eine Installation von Janet Cardiff. "Eineinhalb Jahre lang probierte ich es über verschiedene Interventionen. Die Galerie wollte es mir nicht verkaufen."

Als Habsburg endlich auf Cardiff persönlich traf, sagte ihr diese, dass sie ihr zwar zugetan sei, aber sich wünsche, dass ihre Kunst für die Öffentlichkeit zugänglich sei, sie also deshalb nicht an private Sammler verkaufe. Was tat Francesca Habsburg? Sie stattete ihrem Anwalt einen Besuch ab und sagte ihm: "Ich brauche eine Foundation, und ich will sie jetzt!"

Sechs Jahre später können sich nun weitläufige Installationen wie Carsten Höllers Delays and Revolutions, die 2003 auf der Biennale in Venedig zu sehen war, oder die Bett gewordene Autobahnauffahrt Cama des kubanischen Künstlerduos Los Carpinteros in der Blase des Kunsthauses so richtig ausbreiten und durchatmen. Normalerweise sind sie mit rund 400 anderen Sammlerstücken der Thyssen-Bornemisza Art Contemporary (TBA 21) in den – so Habsburg – "doch recht limitierten" Räumen der Wiener Himmelpfortgasse zu Hause.

Bis 26. Oktober werden 90 Exponate in der Ausstellung "Sammlung als Aleph" gezeigt. Kunsthaus-Chef Peter Pakesch, der Habsburg mit dem anachronistischen "von" zwischen ihren Namen im wahrsten Sinne des Wortes hofiert, zeigte sich erfreut über die Intensivierung der Kooperation mit dem Joanneum. Immerhin habe Frau Habsburg schon der Alten Galerie im Schloss Eggenberg 16 Kunstwerke aus der Sammlung ihres 2002 verstorbenen Vaters Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza als Dauerleihgaben überlassen. Die 90 zeitgenössischen Werke zeigt man in drei Teilen hintereinander, während der Umbauphasen wird das Haus weiter geöffnet bleiben

Umkehrschleife

Aber zurück zu den Carpinteros, Marco Antonio Castillo und Dagoberto Rodríguez Sánchez: Nachdem die "Tischler" minutenlang mit ihrer Mäzenin auf der Matratzen-Carrera posieren mussten, erklären sie dem Standard die Bedeutung der Arbeit: Es ginge um eine Umkehrschleife, eine Rückfahrtmöglichkeit für Ideen, Träume, Gedanken, die man habe, wenn man im Bett liege. "Und natürlich auch um Sex, zu dem man immer wieder zurückfindet."

Weniger handfeste Erklärungen gab es von den Kuratoren Adam Budak und Daniela Zyman, die – warum, erschließt sich aus der Ausstellung nicht – die ganze Schau Aleph tauften und eine weit hergeholte Verbindung mit der gleichnamigen Erzählung von Jorge Luis Borges zu konstruieren versuchten.

Lägen nicht einige Bücher von Borges auf einem Tisch neben Haluk Akakces Videoinstallation Illusions of the First Time, wäre der argentinische Schriftsteller der Letzte, der einem zwischen den Objekten von Heimo Zobernig, Jason Rhoades und dem Strumpfhosen-Bürosessel von Sarah Lucas einfallen würde. Doch, erklärt Budak, Aleph bezeichnet auch einen "sehr kleinen Punkt, der das Universum und die Ewigkeit beinhaltet". Und die Ausstellung sei nichts weniger als "ein Versuch, eine Landkarte des ganzen Universums anzulegen". Ein ambitionierter Versuch.

Doch das Einzige, was tatsächlich an das Universum erinnert, ist Captain Kirk, der auf einem Video in einer Installation von Douglas Gordon auftaucht.

Die drei Phasen der Ausstellung, die sich praktisch daraus ergeben, dass nicht alle Objekte gleichzeitig Platz hätten, wollen Budak und Zyman als drei Kapitel der Geschichte verkaufen, in der ein Mann ein Haus besucht, wo er im Keller den Aleph findet. So gesehen müssten die Exponate wohl die Buchseiten sein – was sie aber nicht sind.

Kuratorin Zyman will sogar die ungewöhnlich lange Dauer der Ausstellung in das Konzept der "Unendlichkeit" verpacken, obwohl sich das Kunsthaus nicht dafür schämen bräuchte, für 2008 eine budgetschonende Variante gefunden zu haben, einen spannenden Überblick aus zeitgenössischer internationaler Kunst in drei Teilen zu präsentieren.

Auch Architektin Marie-Therese Harnoncourt spielt vielsagend mit der "Dehnbarkeit des Raumes", in dem sie "einen Mikrokosmos, der von Kunstwerken bewohnt wird", geschaffen habe. Tatsächlich hat man die Innenhaut der Blase teilweise verspiegelt, was dem Raum wirklich schmeichelt und ihn weiter erscheinen lässt. Aber das wäre auch ohne den guten Borges machbar. (Colette M. Schmidt / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.3.2008)