Wien – Der rote Kanzler besteht auf einen Solo-Auftritt nach dem Ministerrat, deshalb versorgt sein schwarzer Vize die Medien nun im Vorraum des Kongresssaals des Kanzleramts mit Kurzinterviews. Und so liefern Alfred Gusenbauer und Wilhelm Molterer, die über Steuerreform, U-Ausschuss & Co. streiten, seit zwei Wochen keine Bilder der Eintracht mehr in Österreichs Wohnzimmer. Der TV-Konsument soll sehen: Hier spricht der SPÖ-Chef, und dort gibt der ÖVP-Obmann seine Ansichten zum Besten. Quasi: Nun ist Schluss mit kuschlig.

Das merkwürdige Schauspiel ist nicht neu. Denn der Erfinder der wöchentlichen Konkurrenzshow nach dem Ministerrat ist eigentlich Wolfgang Schüssel, einst schwarzer Vizekanzler, dann Kanzler, heute ÖVP-Klubchef. Als Schüssel 1995 Parteichef wurde, bat er die Journalisten nach dem Pressefoyer des damaligen Kanzlers Franz Vranitzky plötzlich in den roten Salon ins Außenamt.

Rote Rache

Keiner seiner Vorgänger hatte das zuvor gewagt. Während Vranitzky im grauen Ecksalon die Einigungen der Koalition pries, bemängelte Schüssel unmitttelbar danach ein paar Türen weiter den Stillstand. Die rote Rache: Vranitzky formulierte seine Schachtelsätze noch etwas umständlicher, um den Start von Schüssels Pressekonferenz hinauszuzögern.

Ab Schwarz-Blau wurde dann „neu regiert“. Mit Doppelconférencen statt Einzelauftritten. Hinter zwei Pulten referierten Schüssel und Susanne Riess-Passer erstmals gemeinsam über das gute Nulldefizit und die bösen Sanktionen. Eine Performance, die Rot-Schwarz eigentlich beibehalten wollte. Der Urvater des Pressefoyers kannte all diese Probleme nicht: Bruno Kreisky regierte 13 Jahre als Absolutist. (nw)