Zwei Jahre lang haben sie Zeit, um Deutsch zu lernen - daran ändert auch eine Schwangerschaft nichts: Kursteilnehmerinnen beim Salzburger Verein VIELE

Salzburg – "In einem der Kurse waren 18 Frauen – sechs davon haben während der Kurszeit entbunden." Michaela Bacher leitet die Deutschkurse im Salzburger Frauen-Integrationsverein VIELE (Verein für interkulturellen Ansatz in Erziehung, Lernen und Entwicklung). Mit den Rahmenbedingungen für die Frauen ist sie nicht zufrieden: In den Fristen der Integrationsvereinbarung ist nämlich kein Aufschub für Schwangere vorgesehen.

300 Stunden in zwei Jahren

Für den Kurs, der auf die verpflichtende Deutschprüfung vorbereiten soll, sind 300 Stunden vorgesehen. Um die volle staatliche Förderung zu bekommen, muss die Prüfung innerhalb der ersten zwei Jahre bestanden werden. Kein geringes Pensum, wenn man bedenkt, dass viele der Teilnehmerinnen voll berufstätig sind. Kommt dann noch ein Kind dazu, wird die Zeit sehr knapp.

Nur für Frauen

Im Kursraum des Vereins VIELE sei man da tolerant, sagt Deutschlehrerin Bacher: Frauen können, wenn sie keine andere Betreuungsmöglichkeit haben, ihren Nachwuchs auch in den Kurs mitnehmen. Männer gibt es in den Kursen keine: So wie auch die freiwilligen Deutschkurse, die der Verein anbietet, wenden sie sich nur an Frauen. So sei es viel eher möglich, eine entspannte Lernatmosphäre und Vertrauensbasis zwischen den Frauen herzustellen, sagt Bacher.

"Schlüssel für die Integration"

"Frauen sind der Schlüssel für die Integration", ist die gebürtige Türkin Mehtap Kurtoðlu, Geschäftsführerin von VIELE, überzeugt: "Weil die Männer kaum mit der Familie und den Kindern zu tun haben. Die Mütter sind meist zu Hause, sie sind es, die einkaufen müssen, die mit den Kindern zum Arzt gehen." Zur Philosophie des Vereins gehöre es, speziell Mütter anzusprechen, um auf diesem Weg die Startbedingungen für die nächste Generation zu verbessern.

Einstieg zu Beratungen

Neben den verschiedenen Deutschkursen bietet der Verein, der seit bald 20 Jahren aktiv ist, auch eine Vielzahl von Beratungen an: Von Fragen zu Empfängnisverhütung und Schwangerschaft über Beziehungsstreitigkeiten, Trennung und Scheidung, Arbeits- und Wohnungssuche bis hin zu juristischer Fachberatung reichen die Themen. Die Sprachkurse bieten oft einen niederschwelligen Einstieg zu anschließenden Beratungsgesprächen, sagt Kurtoðlu. Im Jahr 2007 kamen so insgesamt 1693 Gespräche mit 461 verschiedenen Frauen zusammen.

Lernhilfe für Kinder

Speziell an Volksschulkinder wendet sich das Lernhilfe-Projekt des Vereins: Dabei bietet der Verein an 17 Schulen in Stadt und Land Salzburg Nachmittagsbetreuung für Kinder mit Migrationshintergrund an. Neben Hilfe mit den Hausaufgaben stehen auch Sport, Spiele, Basteln oder Ausflüge auf dem Programm. Die Kinder sollen so im Unterricht Versäumtes aufholen und sich auch außerhalb der Schulstunden auf Deutsch unterhalten, sagt Kurtoðlu.

Traumatisierte Migrantinnen

Viele Migrantinnen hätten mit Depressionen und anderen psychischen Problemen zu kämpfen, sagt die Geschäftsführerin – oft, weil sie aus Kriegsgebieten geflohen seien und die traumatischen Erlebnisse dort noch nicht verarbeitet hätten. Immer wieder komme es auch im Deutschunterricht vor, dass es eine Teilnehmerin in Tränen ausbreche, wenn ein heikles Thema angesprochen werde, berichtet Deutschlehrerin Bacher. Für diesen Fall stünden Mitarbeiterinnen für ein vertrauliches Gespräch zur Verfügung.

Neues Quartier

Im Herbst zieht der Verein in ein drei Mal so großes Quartier um – auch, weil der Zustrom zu den Sprachkursen Jahr für Jahr stärker wird. Neben den schon etablierten Alphabetisierungskursen sollen dann auch Rechenkurse für Frauen veranstaltet werden, die in ihrer Heimat nur kurz die Chance hatten, eine Schule zu besuchen, kündigt Kurtoðlu an. (Markus Peherstorfer, derStandard.at, 7.3.2008)