Wien - ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer pocht auf ein Vorziehen der Steuerreform auf das Jahr 2009. Man verlange dies ja schon länger - und zwar nicht aus "Jux und Tollerei", sondern aufgrund der "nüchternen Zahlen". Hundstorfer verwies etwa auf ein geringes Reallohnwachstum von nur 0,5 Prozentpunkten. "Die Kohle muss rüber", so die Forderung des Gewerkschaftschefs.

Wenn man in der Binnennachfrage etwas erreichen will, dann sei die Steuerreform jetzt dringlicher denn je, sagte Hundstorfer nach dem ÖGB-Bundesvorstand am Freitag in einer Pressekonferenz. Die Reform sei auch voll finanzierbar. Denn die Chimäre, dass das Budgetdefizit zuerst auf Null gebracht werden müsse, glaube ja nicht einmal die Bundesregierung selbst. Hundstorfer erinnerte daran, dass es bei der Steuerreform 2005 ein doppelt so hohes Budgetdefizit gegeben habe wie jetzt. Das Bekämpfen der Inflation sei eben nur über eine Steuerreform möglich.

Zwei Kommissionen "nicht dienlich"

Dass nun offensichtlich zwei eigene Steuerreformkommissionen - eine im Bundeskanzleramt und eine im Finanzministerium - eingesetzt werden, hält Hundstorfer "nicht für sehr dienlich". Der ÖGB werde aber in beiden Kommissionen jeweils aktiv seine Standpunkte einbringen.

Von der aktuellen Neuwahldebatte hält Hundstorfer nichts. Diese bedeute Stillstand, und das könne sich das Land nicht leisten.

Erfreute sich der Gewerkschaftspräsident darüber, dass man den Mitgliederschwund im Jahr 2007 einbremsen habe können. Er sprach von einer Stagnation auf hohem Niveau, im Jahr 2007 habe es einen Abgang von 24.216 Mitgliedern (-1,9 Prozent) gegeben. Derzeit hält der ÖGB bei insgesamt 1,247.795 Mitgliedern. Seit dem September des Vorjahres habe man sogar ein leichtes Plus verzeichnet. Die Frühjahrsaustrittswelle konnte aber dadurch nicht aufgeholt werden. Er sei optimistisch, dass man im laufenden Jahr 2008 den Turn-over schafft. Das größte Minus mit rund 20.000 haben die Gewerkschaften Bau, Holz sowie die GPA eingefahren.

Gefragt, was er von der Aussage von SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer halte, der bei einer Parteiveranstaltung von "üblichem Gesudere" gesprochen hatte, sagte Hundstorfer, er halte diese Aussage für entbehrlich.

Unterschiedliche Haltung

Vizekanzler Wilhelm Molterer und Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter haben sich am Donnerstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz demonstrativ jeglicher Aussagen zu den kursierenden Neuwahlspekulationen sowie zum Vorziehen der Steuerreform entschlagen, unabhängig voneinander aber die jeweilige Linie ihrer Partei in Sachen Steuerreform verteidigt. In einem separaten Statement nach der Pressekonferenz, betonte Molterer, dass das Finanzministerium "formal und inhaltlich" für die Vorbereitung der Steuerreform zuständig sei. Matznetter verwies auf das Nichtzustandekommen eines Regierungsbeschlusses über die Einrichtung einer Steuerreformkommission in der vergangenen Woche und meinte: "Vielleicht klappt's ja nächste Woche."

Inhaltlich gehe es ihm im um die "sofortige Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Pensionisten und Selbstständigen", sagte der SPÖ-Staatssekretär, der zur Begründung auf die Inflationsraten und die schlechter werdenden Konjunkturaussichten hinwies: "Ob 2010 oder 2009 auf dem Papier steht ist sekundär, es muss jetzt gemacht werden." Wenn es zu keinem gemeinsamen Regierungsbeschluss zur Einrichtung einer Reformkommission komme, müsse der Bundeskanzler handeln und eine eigene Kommission einsetzen, sagte Matznetter. Er selbst sei in die Steuerreformkommission im Finanzministerium "nicht eingeladen worden".

"Falscher Schritt"

Molterer bezeichnete die Ankündigung Bundeskanzler Alfred Gusenbauers, eine eigene Kommission ins Leben rufen zu wollen, als "falschen Schritt". Die Vorarbeiten im Finanzministerium liefen "auf Hochtouren". "Wie soll eine Steuerreform funktionieren, wenn an zwei Tischen gearbeitet wird?", fragte der Finanzminister. "Ich habe das Heft in der Hand in der Frage der Steuerreform."

Zuvor hatten Molterer und Matznetter in einer gemeinsamen Pressekonferenz auf die Möglichkeiten der Arbeitnehmerveranlagung und die Möglichkeit, den Steuerausgleich online zu machen hingewiesen. Die geladenen Journalisten interessierten sich jedoch hauptsächlich für den aktuellen Steuerreformstreit in der der Koalition sowie für die Frage, ob und wann die deutsch-liechtensteinsiche "Steueraffäre" auf Österreich überschwappt. (APA)