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Katzenhaie gehören wie Lanzettfischchen, Schleimaale und Menschen zum Stamm der Chordatiere.

Foto: AP Photo/Matthias Rietschel
Berlin - Wissenschafter des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik sowie ihre Kollegen aus Berlin, Hamburg und Tübingen gingen auf die Suche nach den stammesgeschichtlichen Ursprüngen von Knorpeln, Knochen und Zähnen. Bei ihrer Untersuchung wichtiger Vertreter der Chordatiere - zu denen neben Manteltieren und Schädellosen als bekannteste Untergruppe die Wirbeltiere gehören - kamen sie zu dem Ergebnis, dass die Knochen ihren Ursprung in Hautzellen gehabt haben dürften.

Die Untersuchung

Die Experten nahmen auf molekularer Ebene bestimmte Entwicklungsgene (Runx 1-3) unter die Lupe, die eine Schlüsselrolle in der Skelettentwicklung spielen. Die Ergebnisse verblüfften die Forscher: Denn die Aktivitäten dieser Gene ließen sich mehrere hundert Millionen Jahre zurückverfolgen. Runx-Gene waren sowohl im Kiemendarm von Lanzettfischchen (Vertretern der Schädellosen), im Knorpel von Schleimaalen (äußerlich an Fische erinnernden "primitiven" Wirbeltieren) sowie im Knorpel und den zahn-ähnlichen Hautschuppen des Katzenhais (einem Knorpelfisch) aktiv. Letzteres lässt auf eine gemeinsame Vorläuferstruktur von Knochen und den zahn-ähnlichen Hautschuppen beim Hai schließen.

Die Skelettentwicklung ist in der Stammesgeschichte der Wirbeltiere von großer Bedeutung, jedoch ist über die molekulare Entstehung des Skeletts noch wenig bekannt. Bei den Säugetieren werden sogenannte Runx-Gene (Runx 1-3) beschrieben, die eine wichtige Rolle bei der Blutbildung (Hämatopoese) spielen und für die Skelettentwicklung unerlässlich sind. Sie beeinflussen die Knochenbildung und Zahnentwicklung, die Reifung von Knorpelzellen und regulieren direkt das "Indian hedgehog"-Gen (Ihh), ein weiteres essenzielles Gen für die Knorpel- und Knochenentwicklung.

Chordatiere

Wirbeltiere (Vertebrata) sowie die stammesgeschichtlich viel älteren Manteltiere (Tunicata) und Schädellosen (Acrania) haben als gemeinsames Merkmal ein im Rückenbereich liegendes elastisches Achsenskelett, das Rumpf und Bewegungssystem zusammenhält: die Chorda dorsalis. Bei den Wirbeltieren bildete sich die Chorda zugunsten der Wirbelsäule stark zurück. Die Reste der Chorda finden sich beim Menschen noch in den Bandscheiben wieder.

Jochen Hecht und Volkhard Seitz, beide Wissenschafter am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin, haben die Anzahl und die Aktivität von Runx-Genen sowie ihre Interaktion mit Hedgehog-Genen an Lanzettfischchen, Schleimaalen und Katzenhaien untersucht. Ihr Ziel war es, mit Hilfe dieser Organismen, die unterschiedliche evolutionäre Epochen repräsentieren, einen Zusammenhang zwischen Genentwicklung und Skelettentwicklung herzustellen.

Anatomische Unterschiede

Bei den Lanzettfischchen (Branchiostomatidae), die an den Küsten der Meere leben und Plankton und kleine organische Partikel als Nahrung aus dem Wasser filtern, konnten die Wissenschafter nur die Aktivität eines einzelnen Runx-Gens nachweisen. Anders ist das beim Schleimaal der Art Myxine glutinosa: Dieses sehr ursprüngliche Wirbeltier, das noch keine Kiefer besitzt, ist vorwiegend ein Aasfresser. Es lebt weltweit in den Meeren in Wassertiefen bis über 1.000 Metern. Schleimaale besitzen zwei Knorpeltypen - eine weiche und eine härtere Form. Darin isolierten die Wissenschafter zwei Runx-Gene.

In den Hautzähnen (Placoidschuppen) des kleingefleckten Katzenhais (Scyliorhinus canicula), welche die Haihaut rau und äußerst widerstandsfähig machen, konnten die Wissenschafter schließlich eine hohe Aktivität aller drei Runx-Gene feststellen. Da Haie stammesgeschichtlich sehr alt sind und als Knorpelfische keine Knochen besitzen, könnte dies darauf hindeuten, dass Knochen während der Evolution zuerst in der Haut entstanden sind und erst später zur Verstärkung des Skeletts benutzt wurden. Möglich wäre es allerdings auch, dass Katzenhaie einmal Knochen besaßen, diese aber später wieder reduziert haben. (APA/red)