Wien - Das vor neun Monaten eröffnete Museum auf Abruf, das Arbeiten aus der Sammlung zeitgenössischer Kunst der Stadt Wien zeigt, hat bisher 17.000 Besucher verzeichnet. Das seien gute Vorzeichen für die neue Schau "Matrix. Geschlechter - Verhältnisse - Revisionen", betonte Kulturamtsleiter Bernhard Denscher am Mittwoch bei einem Pressegespräch: "Gerade am heutigen 70. Jahrestag des 'Anschlusses' an Nazideutschland ist es wichtig, das Thema Gender auch in diesem Kontext zu sehen". Damals seien "faschistische geschlechtliche Rollen den Menschen aufgedrängt" worden, die teilweise sogar ins Heute hineinwirkten.

Kontinuierliche Auseinandersetzung

Die Ausstellung spiegelt laut den Kuratorinnen Sabine Mostegl und Gudrun Ratzinger auch das Ankaufsprinzip der Stadt Wien wider. Gezeigt werden nicht nur Frühwerke heute bekannter Künstlerinnen und Künstler wie etwa Friedl Kubelka, Edgar Honetschläger oder VALIE EXPORT, die zum Zeitpunkt des Ankaufes noch unbekannt waren, auch jüngeren, noch wenig etablierten Stimmen österreichischer Kunst wird hier Raum gegeben. Was die 46 Werke umfassende Schau besonders deutlich macht, ist die kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Genderbegriff von den 60er Jahren bis heute. In mehreren Arbeiten finden sich Reminiszenzen an bereits etablierte Motive.

Dennoch sind die Zugänge der rund 40 Künstler, die die Aspekte der Geschlechterkonstruktion und die damit in Verbindung stehenden alltäglich erlebten Verhältnisse einer Revision unterziehen, vielfältig. Vorherrschend sind die charakteristischen Selbstinszenierungen, in denen der eigene Körper und dessen visuelle Repräsentation ausgelotet wird. Eine der interessantesten Arbeiten der Generation jüngerer Künstler liefert die in Hamburg geborene Katrina Daschner in ihrer Fotoserie "After she disappeared into all these playgrounds" (1999), in der sie eine Erzählung voller Andeutungen und Assoziationsmöglichkeiten konstruiert. Das dokumentierte Verschwinden einer jungen Frau in einem idyllischen Wald wird durch sadomasochistische Utensilien konterkariert, die sich jedoch selbst infrage stellen: Die Gesichtsmaske besteht aus gehäkeltem Garn statt Leder, die Assoziation zu Härte wird durch die Verniedlichung kontrastiert.

Elke Krystufeks Fotoporträt "Europa arbeitet in Deutschland" funktioniert durch mehrfache Tabubrüche: Sie fotografiert sich nackt in einem Spiegel, bekleidet lediglich mit einer blonden Perücke, mit der sie das Schönheitsideal im Nationalsozialismus überzeichnet. Im Schoß präsentiert sie - ohne jedoch die Scham zu verdecken - ein nationalsozialistisches Plakat mit der Aufschrift "Europa arbeitet in Deutschland". "Sie entblößt die Perversion und Verlogenheit des NS-Frauenbildes, das die Frau ihrer Sexualität beraubt und auf die Rolle als Mutter reduziert", heißt es im Katalog.

Mythos von Opferbereitschaft

Mit Sadomasochismus arbeitet auch Michaela Pöschl (Jahrgang 1970) in ihrem Video "Der Schlaf der Vernunft", in dem sie sich - an den Händen aufgehängt - auspeitschen lässt, was lediglich an den Zuckungen ihres Körpers und den akustischen Peitschenhieben deutlich wird. Die Nahaufnahme ihres Gesichts spiegelt die Gratwanderung zwischen Schmerz und Lust wider. Durch die Übersteigerung will sie laut Katalogtext den Mythos weiblicher Opferbereitschaft sowohl als auch die teilweise "Aneignung von TäterInnenschaft" freilegen.

Die Darstellung der Frau in Gemälden Alter Meister thematisiert Karin Raitmayr in "Tradition" (2005): In typischer Haltung bei der Handarbeit ist sie auf einer Fotografie zu sehen, doch das Produkt widerspricht auf verstörende Art und Weise dem gängigen Rollenbild: Neben dem Foto hängt die so produzierte Strumpfhose, in deren Schritt Raitmayr lange Haare eingenäht hat.

Bis zum 7. Juni ist dieser Befund feministischer Kunstgeschichte zu sehen, umrahmt wird die Ausstellung von einem Filmscreening von Hans Scheirls "Dandy Dust" (17. April), einem Gespräch zwischen Gabriele Jutz und Mara Mattuschka über die Körperlichkeit des Filmmediums (8. Mai) und einer Gesprächsrunde über "Kunstgeschichte/n" am 15. Mai (jeweils 19 Uhr). (APA)