Bild nicht mehr verfügbar.

Wollen vom Innenministerium Hintergründe zu Flüchtlingsschicksalen in Österreich: Heinz Fischer ...

Foto: Reuters/Mikhail Evstafiev

Bild nicht mehr verfügbar.

... und Terezija Stoisits.

Foto: Reuters/Leonhard Foeger
Wien - Besondere Umstände machen besondere Reaktionen nötig, meint Volksanwältin Terezija Stoisits. Und entschloss sich daher zu einem "für die Volksanwaltschaft sehr seltenen Schritt": Um Hintergründe und Ablauf einer Massenfestnahme von 27 großteils tschetschenischen Asylwerbern im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen am 10. Jänner 2008 aufzuklären - der STANDARD berichtete -, leitete sie am 28. Februar 2008 ein amtswegiges Prüfverfahren ein.

Damit verpflichtet sie Innenminister Günther Platter (VP) binnen fünf Wochen zu einer verbindlichen Stellungnahme zu den Ereignissen. Diese waren Journalisten als chaotisch und brutal geschildert worden: Die Razzia habe stattgefunden, ohne dass European Homecare - die Firma, die in Traiskirchen die Flüchtlinge betreut - informiert worden ist. Die Asylwerber hätten verzweifelt reagiert, als immer mehr Familienväter Schubhaftbescheide bekamen. Eine tschetschenische Ehefrau habe einen Nervenzusammenbruch erlitten und sei in die Psychiatrie eingewiesen worden. Eine andere Frau habe sich die Pulsadern aufgeschnitten, sei dann aber gerettet worden.

Die meisten Flüchtlinge wurden nach rund zwei Wochen wieder enthaftet. Einem Spruch des Verfassungsgerichtshofes folgend, hob der Unabhängige Verwaltungssenat Niederösterreich die verhängten Schubhaftbescheide als "unverhältnismäßig" auf. Von Kritikern des Innenministeriums wurde eine Verbindung zwischen dem damals wahlkämpfenden Erwin Pröll (VP) und der Innenministeriumsaktion in den Raum gestellt. Pröll hatte am 6. Jänner "Konsequenzen" von Platter gefordert, weil die Belagszahlen in dem Flüchtlingslager gestiegen waren.

"Ich will von Platter wissen, auf welcher Grundlage die damaligen Bescheide fußten und weshalb - wie in ähnlichen Fällen auch - Familien getrennt wurden: Ist es eine Anordnung, ein Erlass, eine Weisung? Ich will von ihm wissen, was er über den damaligen psychischen Zustand der Frauen weiß", erläutert Stoisits. Ihr Ziel: "So es ein Fehlverhalten der Behörden gegeben hat, muss dieses für die Zukunft abgestellt werden."

Präsident will Information

Aufklärung will auch eine andere staatliche Stelle vom Innenressort: "Im Fall Walid Kubaev haben wir Innenminister Günther Platter um Aufklärung ersucht", bestätigt Bruno Aigner aus dem Büro von Bundespräsident Heinz Fischer. Nach einem Standard-Artikel über den 31-jährigen schwer traumatisierten tschetschenischen Asylwerber hätten sich "mehrere Staatsbürger per Mail an uns gewandt". So habe man sich entschlossen, "im zuständigen Ressort mehr Information einzuholen".

Wie berichtet, werden Kubaev, der in Grosny nach seinen Angaben 25 Tage lang Folter durch Prügel, Elektroschocks, Schlafentzug und Injektionen unbekannten Inhalts ausgesetzt war, von den Asylbehörden Schwierigkeiten gemacht, seine in Wien begonnene Psychotherapie und medizinische Behandlung weiterzuführen. Doch ohne Kontakt zu seiner Wiener Therapeutin - so sagte der Tschetschene im Standard-Gespräch - wisse er nicht, wie er weiterleben solle.

Jetzt soll der Mann, der an massiven psychischen Beeinträchtigungen und an einer chronischen Erkrankung leidet, seine Behandlungen in der Steiermark fortsetzen, wohin er im Dezember aus Traiskirchen übersiedeln musste. Er unterliegt den rigiden Regeln des Bund-Länder-Abkommens über die Flüchtlingsunterbringung: Verlässt er die Steiermark für länger als 48 Stunden, so verliert er seinen Anspruch auf Unterbringung und Versicherung. Ausnahmen könne man leider keine machen, bedauert Günther Bauer, Leiter der Flüchtlingsabteilung des Landes Steiermark.

Rechtzeitige Rückkehr

Natürlich stehe es "Herrn Kubaev frei, auf eigene Kosten nach Wien in die Therapie zu fahren, wenn er rechtzeitig zurückkommt". Doch seinem dringendem Wunsch, vom Land Steiermark aus der Betreuung wieder entlassen und dafür in Wien aufgenommen zu werden, könne man "nicht entsprechen".

Ganz in diesem Sinne - so Bauer - werde er auch seine Stellungnahme ans Ministerbüro verfassen, zu der er aufgrund des Informationsersuchens aus dem Büro Heinz Fischers aufgefordert worden ist. Ein Ersuchen, das auch schon Kubaevs Brucker Flüchtlingspension betroffen hat: Donnerstag vor einer Woche tauchten dort in dessen Abwesenheit Beamte im Auftrag des Innenministeriums auf und stellten den anderen Bewohnern Fragen zur Person des Flüchtlings. (Irene Brickner, DER STANDARD - Printausgabe, 17. März 2008)