Heinz Engl.

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Der Mathematiker Heinz Engl glaubt, dass sein Fach an keine Grenzen stößt. Es gebe immer neue Aufgaben - man werde diese lösen können. In den Schulen sieht er Nachholbedarf bei der Vermittlung. Peter Illetschko sprach mit ihm.

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Standard: Mathematiker bezeichnen die Mathematik als Mutter aller Naturwissenschaften. Physiker sehen die Physik so, Biologen meinen, ohne Biologie gehe gar nichts. Mediziner sagen das. Jeder hat recht, oder?

Engl: Natürlich haben alle recht. In der heutigen Zeit wird es immer wichtiger, dass alle Wissenschafter zusammenarbeiten, interdisziplinär, aber ohne die Verankerung in ihrer Wissenschaft und die nötige Tiefe zu verlieren. Es gibt Beispiele: Die Physik formuliert Naturgesetze in der Sprache der Mathematik, diese verwendet ihre Methoden, um die daraus entstehende Modelle zu analysieren. Auch die Biologie wird im-mer physikalischer und mathematischer; Sie hat riesige Datenmengen zu verwalten, in die unter anderem durch mathematische Methoden Struktur hineingebracht werden muss.

Standard: Was treibt den Mathematiker an? Das Denken allein oder das Denken, das zu Lösungen kommt?

Engl: Das ist bei jedem wohl anders. Jeder Mathematiker, rein oder angewandt, sollte aber eine Motivation haben, zu welchem Zweck er über ein Problem nachdenkt. Dann ist es natürlich die Faszination, über ein schwieriges Problem systematisch nachzudenken, die einen weitertreibt.

Standard: Das klingt alles recht spannend. Dennoch erfreut sich die Mathematik nachhaltiger Unbeliebtheit. Was kann man tun?

Engl: Zunächst einmal: Das ist ein rein deutschsprachiges Phänomen. In Frankreich etwa hat Mathematik auch in der Öffentlichkeit ein sehr positives Image. Auch bei uns wird's besser, auch durch die viele Aufmerksamkeit, die Mathematik in den Medien findet. Wichtig wäre eine Lehreraus- und -weiterbildung, in der gezeigt wird, dass die Mathematik auch die Grundlage moderner Technologien ist. Das wird aber erst langfristig wirksam. Das passiert schon, könnte aber noch deutlich intensiviert werden.

Standard: Man hat den Eindruck, dass viele Mathematiker sich eigens mit recht alltäglichen Fragen beschäftigen, vielleicht, um ihr Fach populärer zu machen. Im Dezember 2007 wurde eine Formel für das optimale Verpacken von Geschenken gefunden. Stößt die Mathematik irgendwann an Grenzen?

Engl: Je mehr Probleme die Mathematik löst, desto mehr neue Aufgaben bekommt sie. Aus dieser Sicht erkenne ich keine Grenzen, wohl aber darin, dass eben nicht alles mathematisierbar ist. Wieso sollten wir Violinspielen auf ein inverses Eigenwertproblem reduzieren, das es, mathematisch gesehen, eigentlich ist? (DER STANDARD, Printausgabe, 19.3.2008)