Wer nach den Wurzeln des europäischen Rechts gräbt, landet im alten Rom. Dessen Anfänge seien aber zeitlich weit davor verortet, ist der Innsbrucker Rechtswissenschafter Heinz Barta überzeugt. „Es lässt sich nachweisen, dass vieles, was bislang als römisch galt, aus dem antiken Griechenland stammt und damit auch aus dem alten Orient.“ So gab es im alten Orient schon gegen Ende des dritten Jahrtausends vor Christus systematische Gesetzeswerke. Das bekannteste ist der Kodex Hammurapi. Vieles davon haben die Griechen und in der Folge die Römer übernommen und weiterentwickelt: etwa das Gesetz, die Kodifikation, die Publikation von Gesetzestexten samt Präambel und Epilog.

Die Geschichte der Persönlichkeitsrechte beispielsweise lässt sich bis hin zum Athener Gesetzgeber Solon zurückverfolgen. Er hat bereits zu Beginn des sechsten vorchristlichen Jahrhunderts den Schutz der Persönlichkeit auch über den Tod hinaus gesetzlich geregelt. In Österreich gibt es erst seit 1811 Persönlichkeitsrechte, die vor den 1960er-Jahren gar nicht zur Anwendung kamen.

Ein Kapitel in Bartas Buch zur Rechtsgeschichte („Graeca non leguntur? Zu den Ursprüngen des europäischen Rechts im antiken Griechenland“) ist der historischen Verquickung von Recht und Religion gewidmet. „Die Beschäftigung mit unseren rechtlichen Wurzeln macht deutlich, dass die Trennung von Religion, Moral und (Gewohnheits-) Recht auch in Europa erst sehr spät und keineswegs umfassend stattgefunden hat“, meint Heinz Barta mit Blick auf den aktuellen Islam-Diskurs. „All diese Bereiche dienten auch im antiken Griechenland als Reservoir, aus dem die Herrschenden die Legitimierung zur Steuerung der Gesellschaft bezogen.“

Allianz von Recht und Religion

Dass sich die Allianz von Recht und Religion auch im aufgeklärten Europa in manchen Bereichen bis heute gehalten hat, zeigt sich etwa an der rechtlichen Regelung von Ehescheidungen, homosexuellen Partnerschaften, Abtreibung etc. „Die gegenwärtigen Entwicklungen und Diskussionen machen deutlich, dass sich auch bei uns das aufgeklärte Denken nicht gerade im Aufwind befindet“, ist Barta überzeugt. Dabei hat es Jahrtausende gedauert, bevor sich die religiösen Schleier über dem Rechtsdenken gelichtet hatten.

Barta kritisiert zudem die engen Fachgrenzen der rechtswissenschaftlichen Forschung. Der geisteswissenschaftliche Kontext werde ausgeblendet: „Von Interdisziplinarität ist an den juridischen Fakultäten wenig zu bemerken.“ (Doris Griesser/DER STANDARD, Printausgabe, 26.3.2008)