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Der Löwenzahn neigt in seinen späteren Altersphasen zu einer gewissen Verbitterung, sprich, seine Blätter sind wirklich nur im Jugendstadium mit Genuss verdaulich.

Foto: APA/dpa/dpaweb/Daniel Karmann
Beginnen wir mit der Stadt und ihren Bewohnern, zumalen mit jenen, die in dem Wienerwald benachbarten Gefilden beheimatet sind. Dort gedeiht zu dieser Jahreszeit im Schatten der wunderbaren Buchenwälder insbesondere der Bärlauch, und distinguierte Großstädter und Großstädterinnen eilen gerne wochenends mit Körben und Messerchen in den Wald, um dort die Delikatesse einzusammeln.

Allium ursinum wird die krautige, mehrjährige Pflanze genannt. Warum, das weiß keiner so genau. Angeblich labten sich früher, als es sie hier noch gab, die Bären gerne an dem mild-würzigen Blattwerk, sobald sie aus ihren Winterschlafhöhlen gekrochen und sich die blinzelnden Augen gerieben hatten.

Eigentlich eine heitere Vorstellung: Braune Pelzgestalten im Buchenwalddämmer, die wie Kühe die saftig grün mit Labberblättern bewachsenen Hänge abgrasen und sich die Wänste mit Bärlauchspinat vollschlagen.

Röhrlsalatkultur

Apropos Kühe, dieses Stichwort bringt uns in weiter abgelegene, rustikalere Regionen, wie zum Beispiel die Steiermark. Dort kommt der Bärlauch zwar auch gelegentlich vor, doch ist diese Gegend im Frühjahr viel eher für ihre Röhrlsalatkultur bekannt.

Der Röhrlsalat wird aus den frischen, möglichst jungen Blättern des Löwenzahns zubereitet. Mit ein paar gekochten Erdäpfelscheiben gemischt und milde abgemacht ergibt die Angelegenheit eine lukullische Frühlingsspeise. Zumindest der Name des Löwenzahns scheint nicht so weit hergeholt, wenn man die gezahnten Blätter dieser außerordentlich vitalen, weit verbreiteten, um nicht zu sagen streckenweise in fast schon lästigen Massen auftretenden Pflanze betrachtet.

Was aber hat die Kuh mit dem Bären und dem Löwen zu tun? Folgendes: Der Löwenzahn neigt in seinen späteren Altersphasen zu einer gewissen Verbitterung, sprich, seine Blätter sind wirklich nur im Jugendstadium mit Genuss verdaulich. Es sei denn, sie werden vor dem Sonnenlicht abgeschirmt, und das erfolgt zum Beispiel auf quasi natürlich-symbiotischem Weg auf jenen Weiden, auf denen im vergangenen Jahr die Kühe nicht nur die Gräser gemalmt, sondern auch ihre fladigen Verdauungsprodukte haben liegen lassen.

Kuhfladen oder Blumentöpfe

Es ist jetzt kein Schmäh, wenn wir hier erzählen, dass manch Steirer, manch Steirerin um die verborgenen Vorzüge dieser Weiden genau Bescheid weiß und im Frühjahr unter den abgetrockneten Kuhfladen die hellen, gelben, von Sonnenstrahlen noch nicht verbitterten Junglöwenzähne zu ernten pflegt.

Das mag die distinguierte Städterschaft nun in Abscheu versetzen. Doch was ist schon dabei? Andere heizen mit Kuhfladen. Und wieder andere schätzen den Kaffee aus Bohnen, die die Verdauungstrakte von in Madagaskar beheimateten Lemuren passiert haben und dort einer gewissen Fermentierung ausgesetzt waren, was dem Kaffee angeblich ein ganz einzigartiges Aroma verleiht.

Wer's ganz leicht zivilisierter mag, kann die Kuhflade ganz einfach durch Blumentöpfe ersetzen und diese umgedreht über ausgewählte Löwenzähne stülpen. Die Franzosen machen das schon lang. Vielleicht haben auch wir hier jetzt eine neue Mode angezettelt, und schon bald sind die Wienerwaldwiesen mit Blumentöpfen übersät wie früher die Weiden mit Kühen. Eine herrliche Vorstellung. Weil Bärlauch oder gezüchtete Löwenzähne zu kaufen ist ja langweilig im Vergleich zur Jagd auf die Wilden unter den Pflanzen. (Ute Woltron/Der Standard/rondo/28/03/2008)