Verteidiger Mayer

Verteidiger Rudolf Mayer kritisiert im Gespräch mit Michael Möseneder den in der Reform der Strafprozessordnung verankerten Ersatz der Untersuchungsrichter durch Staatsanwälte.

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STANDARD: Was haben Sie eigentlich gegen die Reform der Strafprozessordnung?

Mayer: Ich bin dagegen, weil die unabhängigen Untersuchungsrichter durch weisungsgebundene Staatsanwälte ersetzt worden sind. Die Entscheidung, ob und wer strafrechtlich verfolgt wird und wie lange jemand unter Verdacht steht, ist so direkt politischen Organen vorbehalten. Ein "Fall Lucona" käme so wahrscheinlich nie vor Gericht. Hätte man dagegen mit der Abschaffung der Untersuchungsrichter auch das Weisungsrecht aufgehoben, wäre dieses Kernstück der Reform nicht eine Minderung des Rechtsschutzes geworden.

STANDARD: Gerade in heiklen Fällen würden aber politische Weisungen heutzutage früher oder später in die Medien gelangen, wie man ja in der Causa Haidinger sieht.

Mayer: Gerade dieser Fall illustriert ja das Problem: Laut Staatsanwaltschaftsgesetz müssen Weisungen schriftlich erfolgen. Doch muss man den, speziell jungen, Staatsanwalt erst finden, der sich dem mündlichen Wunsch eines Vorgesetzten nach ,neuerlicher Überdenkung' in den Weg stellt - und auf eine schriftliche Weisung beharrt.

STANDARD: Glauben Sie also, dass ein Untersuchungsausschuss im Fall Haidinger, der auch das Justizressort behandelt, sinnvoll ist?

Mayer: Untersuchungsausschüsse sind grundsätzlich immer günstig, um Licht in einen Graubereich zu bringen. Und gäbe es kein Weisungsrecht, dann braucht man auch keinen Untersuchungsausschuss.

STANDARD: Die Reform hat doch auch Vorteile für die Verteidiger gebracht, beispielsweise das Recht, schon bei der ersten Einvernahme dabei sein zu dürfen. Was haben Sie denn dagegen?

Mayer: Dieses Recht ist einerseits schon vor der Reform durch eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshof festgeschrieben worden. Und andererseits ist die Ausübung dieses Rechtes auf ein Minimum reduziert worden. Durch die Verordnung, dass Verteidiger bei der Einvernahme stumm dabeisitzen müssen und nur am Ende Fragen stellen dürfen und die Möglichkeit der Polizei, dem Anwalt Akteneinsicht verwehren zu können. Der Verteidiger wird so zum stummen Diener seines Herrn, des Klienten, reduziert. (DER STANDARD Printausgabe, 2.4.2008)