Jeweils montags und donnerstags eine Stadtgeschichte Thomas Rottenberg

Es war gestern. Da waren wir – wieder einmal – zu faul zum Selberkochen. Und obwohl wir alle wussten, dass wird danach wieder darüber Lamentieren würden, dass es eigentlich wirklich schwachsinnig ist, sich statt ein paar selbst gemacht Nudeln mit Pesto und Salat wieder irgendwas Trashig-Fettes von meist besser unbekannter hygienischer und qualitativer Provenienz zwischen die Kiefer zu schieben, griffen wir natürlich doch wieder zu den Zustell-Karten an der Eiskastenwand.

Hendl? Ewige Wartezeiten – und dann jedes mal wieder die Debatte, ob die garantierte Zustellzeit-Spanne im Augenblick der Online- oder Telefonbestellung beginnt, oder doch erst 20 Minuten später – nämlich dann, wenn die Callcenter-Mitarbeiter geruhen, die Order ans nächstgelegene Hendlbratoutlet zu schicken? (Das kann nämlich schon 35 Minuten dauern). Umfrage – Abstimmung – Ablehnung: Drei Leute dafür, fünf dagegen.

Dauereröffnung

Sushi? Sauteuer. Außer man fährt selbst zum Sushinesen, der da seit seiner Eröffnung vor ein paar Jahren mit seinen "Eröffnungs"-Angeboten ("alle Sushi-Sets um 50%") wirbt. Gut, aber langwierig: Egal, nach welcher am Telefon vereinbarten Wartezeit man ins Geschäft einrauscht – die Herstellung der Ware beginnt immer exakt zehn Minuten nach Eintreffen des Abholers. Ist aber in Wirklichkeit kein Drama – also: Wer geht da Zeug holen? Draußen regnet es. Acht Leute tun, als wären sie grad nicht da.

Chinazeugs? Vier umliegende Zusteller haben wir durch. Drei davon schieden nach dem ersten Versuch aus: Einer verstand am Telefon nicht einmal die Nummern neben den eigenen Speisen und lieferte irgendwas. Nicht schlecht, aber auf Mystery-Food hat heute keiner Lust. Zwei Zustellbetriebe lieferten zwar das, was auf der Karte stand, aber es war einfach nicht essbar – und zwar gerade von Menschen, die fernöstliche Küche in all ihren Ausformungen in fast allen Zonen der Welt schon durchgetestet hatten: Gammelenten an ranzigem Reis? Eher nicht.

Mopedküche

Und der vierte Chinese? Eigentlich ganz gut – aber G. winkt ab: Er hat dort neulich selbst abgeholt. Und das war ein Fehler. Beziehungsweise, präzisiert G., war es ein Fehler, da genauer hinzuschauen, als der nette Mann am Serviceschalter in die Küche eilte. G. schwört, dass der Koch und sein Kollege da an einem Moped geschraubt hätten. In der Küche. Der Vergaser habe am selben Tisch gelegen wie die Lebensmittel. Und auch wenn es anderswo nicht besser zugeht: Sowas will man nicht wissen. Also kein Chinafood.

Bleibt der Levantiner. Alle schütteln den Kopf: Dönerfrust. Oder der immer noch hippe Asiate im Sechsten? Der stellt zwar auch nicht selber zu, aber für dieses Essen wären drei Personen bereit, in den Regen zu stapfen. Allerdings: Die Hütte ist teuer. Und zwar im Vergleich wirklich teuer. Daher wird sie zurückgereiht – schließlich gibt es ja noch Pizza.

Vierfachpizza

Im Umland – also in einer Dreiminuten-Gehdistanz sind vier Pizzerien. Eine scheidet von vornherein aus (siehe Chinarestaurants). Zwei liefern nicht, sind aber ein bisserl mühsam: Die eine hat einen Patron, der Frauen anbaggert und Männer zu seltsamen Geschäften überreden will. Wenn er nicht da ist, ist alles super – aber sein Wagen steht gerade in Blickweite und unübersehbar vor dem Haus. Die andere hat ein Koch-Problem: Wenn der Kellner kocht (also am Nachmittag), ist alles gut – aber der Haupt-Koch hält Abhol-Pizzakunden für unwürdig – und verweigert konsequent Gewürze und Knoblauch. Da ist selbst der Chef machtlos.

Bleibt noch die vierte Pizzeria. Eigentlich ein Kebab-Laden, der vor einem Jahr auf Pizza erweitert hat: Nette Leute, gute Ware. G. schaut in die Karte und entdeckt, was alle in der Umgebung wohnenden (und wohl auch die Ladenbetreiber selbst) bisher übersehen haben: "Diese Preisliste ist sinnlos!" Denn obwohl jede Pizza einen eigenen Preis hat, steht schon auf der Aufschlagseite des Postwurffolders, dass "bei Zustellung jede Pizza nur 4,90 Euro" und bei Selbstabholung gar "nur 4,50 Euro" kostet. G. ist neugierig, ruft an und fragt, ob es auch andere Pizzapreise als 4,50 und 4,90 gibt – und stößt auf Unverständnis: Man referiert ihm ausführlich alle Preise – und verkündet zum Schluss die Aktionspauschale.

G. meint, dass er jetzt ein komisches Gefühl hätte: Sich zuerst über jemanden lustig zu machen und dann bei ihm bestellen, fände er irgendwie nicht in Ordnung. Aber just als er zum vierten Mal den Stapel durchgehen will, kommen P. und A. bei der Tür herein: In der Zeit, in der wir uns nicht entscheiden konnten, haben sie gekocht. Irgendeine Avocado-Shrimp-Variation als Vorspeise und Nudeln mit Pesto und Salat. "Weil es uns zu blöd geworden ist – und wir dann nicht auch noch warten wollten." Aber trotzdem haben alle anderen doch auch das Gefühl, etwas zum Essen beigetragen zu haben. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 3. April 2008)