Der höfliche Dandy von nebenan: Robert Forster setzt das Werk der wunderbaren Go-Betweens solo fort.

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Robert Forster: "The Evangelist" (Tuition/Edel)

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Am 6. Mai 2006 ging zwar nicht die Welt unter, für eine ergebene globale Gemeinde stürzte dennoch eine ein. An jenem Tag wollte der Songwriter und Gitarrist Grant McLennan in Brisbane eine Housewarming Party veranstalten. Seine Band, The Go-Betweens, hatte in ihrer zweiten Karriere, die nach zehn Jahren Pause im Jahr 2000 begonnen hatte, beträchtlichen Erfolg - ein neues Haus schien da angemessen. Sogar in Österreich war die Band mit Finding You - bekannt vom Dauereinsatz im Werbefernsehen - wochenlang in den Charts. An diesem Mai-Nachmittag klagte ein frischverliebter McLennan seiner Herzdame gegenüber über Unwohlsein, ging zu Bett - und erwachte nicht wieder. Er war 48 Jahre alt.

Damit war das Ende der in den späten 70er-Jahren unter dem Eindruck von Velvet Underground, Bob Dylan und der Ökonomie der Talking Heads gegründeten Go-Betweens besiegelt. Die zweite Konstante der Band, Robert Forster, veröffentlicht nun mit den verbliebenen Mitgliedern der Band sein erstes Soloalbum seit 1996: The Evangelist.

Der Tod McLennans, der drei der zehn Songs hier noch mitgeschrieben hat, ist natürlich Thema. Das Album eröffnet mit zwei ruhigen Stücken, vor allem Demon Days, vorgetragen in gefasster, immer noch ungläubiger Verzweiflung, scheint diesbezüglich das Kernstück des Albums zu sein - und ein erster Höhepunkt. Robert Forster: "Ja, Demon Days ist definitiv für Grant geschrieben. Auch die Chronologie der Stücke nimmt auf sein Ableben Rücksicht, ich konnte und wollte nicht mit einem fröhlichen Popsong beginnen. Das wäre unangemessen gewesen." Die intelligenten, sonnendurchfluteten Popsongs, für die The Go-Betweens von Kollegen wie Michael Stipe (R.E.M.) und ihren Fans so geschätzt wurden, setzen leicht verzögert ein. Forster: "Ich habe nach Grant's Tod die vielen traurigen und erschütternden Einträge auf unserer Homepage gelesen. Es war überwältigend. Ich konnte jeden Tag nur ein paar lesen. Aber es ging mir nicht darum, ein therapeutisches Album aufzunehmen. Das möchte ich niemandem zumuten."

Mit "Pandanus", dem dritten Song, beginnt schließlich das Leben nach dem Tod - auch wenn dieser weiter mitschwingt und sich am Ende in From Ghost Town noch einmal zeigt. Dazwischen folgen erhebende Pop-Perlen wie Let Your Light In, Babe, Don't Touch Anything oder It Ain't Easy, ihrer Qualität nach beste Go-Betweens-Musik: prägnante Folk-Pop-Songs, gehaltvoll und leichtfüßig. Sie machen das traditionell in LP-Dimension gedachte Album auch atmosphärisch zu einem Meisterwerk und verdeutlichen auch unter Forsters Alleinherrschaft, warum die Go-Betweens oftmals "beste Band der Welt" genannt wurden. Wie kam es zu diesem religiös anmutenden Albumtitel? Forster: "Der Evangelist ist jemand, der eine frohe Botschaft verkündet. Es ist aber nicht religiös zu verstehen, es schien mir dennoch passend. The Evangelist signalisiert sowohl die Schwere der Umstände als auch den Aufbruch."

In Australien wurden die Go-Betweens zuletzt beinahe schon als Nationalhelden betrachtet. In Memphis wurde eine hässliche Ausfallstraße zum Elvis Presley Boulevard, den Go-Betweens zu Ehren wurde in Brisbane eine Brücke zur "The Go-Betweens Bridge". Forster: "Ja, das mit der Brücke ist allerdings seltsam."

Was machte die Go-Betweens so besonders? Forster nicht ganz unbescheiden: "Ich glaube, weil wir nachvollziehbar blieben. Und wir haben gute Songs geschrieben, die den Leuten etwas bedeutet haben. Das mag nicht nach viel klingen, aber es ist das, was sich nach fast dreißig Jahren als Musiker und Erfahrung mit den Fans sagen lässt." Nach dem Ende der Go-Betweens wusste Forster, ein für die Romantik der Boheme anfälliger Dandy, nicht, ob er je wieder Musik machen würde. Er wechselte erst einmal die Seiten und begann in einem australischen Monatsmagazin als mittlerweile preisgekrönter Journalist zu arbeiten. Forster: "Das war gar keine so dramatische Veränderung für mich. Musikjournalisten und Musiker haben gemeinsam, dass sie sich intensiv und leidenschaftlich mit Musik beschäftigen. Ich kenne ja einige. Es lag nahe, ein derartiges Angebot anzunehmen."

Der Musik hat er nun dennoch nicht entsagt. Forster ist fünfzig Jahre alt und künstlerisch - trotz des grausamen Schicksals - auf einem anhaltenden Höhenflug. Wie lange will er noch Pop machen, und wie wichtig ist dabei die Würde? Forster: "Oh! Würde ist sehr, sehr wichtig. Und Stil! Das Alter selbst ist nicht so entscheidend. Man kann, wie Nick Cave, mit nun mit fast fünfzig und seinem neuen Album das Biest in sich wiederentdecken. Oder man kann schon sehr jung sehr wenig Würde besitzen. Es ist eher eine Wesensfrage. Entscheidend ist die Glaubwürdigkeit, mit der man etwas macht." (Karl Fluch, RONDO/DER STANDARD/Printausgabe, 03.04.2007)