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Peter Hacks (undatiertes Foto): Nach Ulbricht war für ihn alles vorbei.

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Wien – Es ist paradox: Die Erinnerung an den marxistischen Dramatiker, Lyriker und Polemiker Peter Hacks (1928–2003), einen Meister der Sprache, gehört zur Stunde den Konservativen.

Hacks, der als gebürtiger Breslauer in München promovierte, um 1955 ausgerechnet in die DDR zu übersiedeln, begann als Günstling Brechts. Von diesem ausdrücklich ermuntert, jedoch nicht als Schüler angenommen, be-gann Hacks, Theaterstücke zu schreiben: Die Sorgen und die Macht, Moritz Tassow. Hacks’ Kunst – und er ist der unzweifelhaft kunstfertigste Dichter der DDR – wurzelt fortan in einer Zustimmung, die, weil sie der Errichtung des kommunistischen Paradieses auf ostdeutschem Boden irrtümlicherweise vorgreift, keine Vorbehalte kennt.

Hacks kann scheinbar alles: Er gebietet über entlegene Versformen, dichtet mit leichter Hand und glaubt sich befähigt, der Deutschen Klassik als Zweitklassiker ebenbürtig zu begegnen. Er gibt vor zu wissen, dass die Mühlräder der Geschichte in seinem Sinne unablässig Wasser gießen: auf die grauen, freudlosen Fluren einer mit ihrer Aufbauarbeit heillos überforderten DDR. Hacks, dessen privatpoetische Fruchtbarkeit die Konsumgüterindustrie der DDR gnadenlos in den Schatten stellt, überschwemmt ab den späten 60er-Jahren den Markt mit seinen dramatischen Erzeugnissen. Er wird von der Partei abwechselnd gerügt und gelobt. Er verdient Millionen von Ostmark. Er singt das Lob der Mauer. Er glaubt, unfehlbar erkannt zu haben, dass Chrustschows Abrechnung mit Stalin auf dem 20. KPdSU-Parteitag 1956 dem "Revisionismus" Tür und Tor geöffnet habe. Eine Rücknahme der "sozialistischen Errungenschaften" in Gedanken und Worten ist die Tätigung von Hochverrat. Ulbricht, der näselnde Spitzbart, verkörpert für ihn die "Vernunftform" des Absolutismus. Die Obrigkeit, doziert Doktor Hacks, könne sich von den Künstlern doch nicht alles gefallen lassen.

Loben und spucken

Derselbe Mann, der mitunter die schönsten Verse nach Heine dichtet, in der Mark Brandenburg Uhren sammelt und hinter dem Schutzwall seiner Klinkersteine gegen das Regie-Theater wettert, beargwöhnt hinter jeder Unbotmäßigkeit eines von der Partei mit Repressionen verfolgten Autorenkollegen den "Rechtsopportunisten" – den Konterrevolutionär. Jemand wie Hacks, der mit dem Bühnenmonolog Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe den vielleicht größten deutschen Theatererfolg nach 1945 landet, spuckt dem 1977 ausgebürgerten Biermann übel hinterher.

Den aus marxistischem Stahl gegossenen Hacks kann nichts verbiegen. Dabei ist seine Sprache eine der schmiegsamsten deutscher Zunge. In Stücken wie Prexaspes (1968) sprechen Perser aus dem sechsten vorchristlichen Jahrhundert so, als wären sie Politbüromitglieder, deren sublime Grausamkeiten und Flausen direkt einer geheimen Kommandozentrale der Weltvernunft entsprossen sind.

Höflinge skandieren bei Hacks in Trimetern, sechshebigen Jamben: Insgeheim bewundert der Dandy aus der Schönhauser Straße nämlich die Ruhigstellung von Klassenkämpfen. Er lobt das Gleichgewicht in Phasen absolutistischer Willkür – wenn nur der Herrscher ein Genie ist. Was Hacks meint: Nur er selbst, der Meisterdichter, wäre einem solchen Potentaten – Ulbricht? – auch wirklich gewachsen. Deshalb hat er Honecker verachtet; die Zeit der Wiedervereinigung war ihm Ausweis grassierender Idiotie.

Hacks muss man, um ihn mit Gründen ablehnen zu können, nachlesen: etwa in den wunderschönen Ausgaben des Eulenspiegel-Verlags. Dass er Heiner Müller als übermächtigen Konkurrenten aufrichtig hasste, setzt diesen in seinem Wert nicht herab. Hacks’ Welt blieb nicht. Aber seine Lust am Paradoxon, sein Eintausch höchster Vernunft gegen den Geist sozialistischer Spekulation wird bleiben. (Ronald Pohl, DER STANDARD/Printausgabe, 08.04.2008)