"So, das wäre eine ziemlich große Wunschliste." – So endet eine E-Mail, die ein bezeichnendes Licht auf die Sitten im "unabhängigen" ORF wirft und dem STANDARD dieser Tage zugespielt wurde.

Geschrieben hat es Gerhard Jelinek, heute "Report"-Chef, vor sechs Jahren an den damaligen Innenminister Ernst Strasser (ÖVP). Der Journalist bietet sich darin unverblümt für attraktive Jobs im ORF an – was Strasser offenbar an noch einflussreichere Stelle weiterleiten sollte. "Danke, dass Du bei Gelegenheit für mich Briefträger spielen willst ...", eröffnet Jelinek sein Bittgesuch – und kommt gleich zur Sache: "Sollte es im Rahmen einer Neuorganisation der Informationsdirektion zur Schaffung einer Hauptabteilung 'Magazine' (...) kommen, (...) wäre ich an der Position eines Hauptabteilungsleiters ,Magazine‘ interessiert."

Zum zweithöchsten Posten, der damals am Küniglberg disponibel war, schreibt Jelinek: "Sollte der Chefredakteur nicht schon fix vergeben sein (...)", sei diese Stelle "natürlich die politisch interessanteste Position". An der Leitung des "Report" gibt er sich "natürlich subsidiär" interessiert. "Außerhalb des direkten Info-Bereichs" wiederum ist für Jelinek "interessant": "Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit". Und seine letzte Anregung: "Vielleicht mit etwas Hybris, aber die ORF-Enterprise nach Sissy Mayerhofer würde ich mir auch zutrauen."

Nachfolgerin Thurnher?

Der ORF baut den "Report" um, erfuhr der STANDARD: Die Leitung des Magazins ist ausgeschrieben, Jelinek könnte Gisela Hopfmüller, bisher Hauptabteilungsleiterin Bildung und Zeitgeschehen, beerben. Als „Report“-Nachfolger ist seit langem Robert Wiesner im Gespräch; Ingrid Thurnher hat ein Angebot, den "Report" zu moderieren. Ein Rückruf des ORF blieb bis Redaktionsschluss aus.

Ist es beim ORF Usus, dass Journalisten Wünsche an Politiker schicken? Hat Strasser, dessen umstrittene Postenbesetzungen bei der Polizei nun im Untersuchungsausschuss erneut aufgerollt werden, auch beim ORF interveniert? Und wem sollte der Minister die Wünsche überbringen? Strasser: "Ich kann mich an ein derartiges E-Mail nicht erinnern. Sollte es existiert haben, ist es ein gestohlenes E-Mail – und zu gestohlenen E-Mails spricht nur mein Anwalt."

Auch Jelinek, dem spätestens seit September 2006, als er dem damaligen Kanzler Wolfgang Schüssel vor einem Fernsehinterview persönlich einen Stuhl zum Probesitzen gebracht hatte, der Ruf zu großer Nähe zur ÖVP anhängt, sagt: "E-Mails, die vor sechs Jahren – von wem auch immer – an eine private Adresse geschickt wurden und auf kriminelle Art und Weise an die Öffentlichkeit gespielt werden, kommentiere ich nicht." Er werde eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft schicken und eine zivilrechtliche Klage prüfen. "Im Übrigen", fügt Jelinek hinzu, "liste ich Reformvorschläge auf, wahrscheinlich hat mich Ernst Strasser – wie andere ORF-Politiker auch – bei Gelegenheit danach gefragt. Vieles, was ich damals überlegt habe, etwa die Schaffung einer Hauptabteilung für Magazine oder ein wöchentliches Auslandsmagazin, ist ja – auch von Generaldirektor Alexander Wrabetz – umgesetzt worden." (jo, fid, prie/DER STANDARD; Printausgabe, 12./13.4.2008)