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Die Weltmarktpreise treiben die Menschen in den armen Ländern in den Hunger.

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Weltbank-Chef Zoellick mit für viele unleistbarem Reis und Brot.

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Washington/Paris/Berlin – Der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, hält den weltweiten Anstieg der Lebensmittelpreise für mehr als kritisch. Die teuren Nahrungsmittel seien für die Weltwirtschaft ein ebenso ernstes Problem wie die US-Ramschkredite: "Es gibt heute nicht nur eine reine Wachstumskrise, sondern eine mindestens ebenso wichtige Krise entwickelt sich gerade durch das Anziehen der Inflation sowie der Preise von Rohstoffen und besonders Lebensmitteln", sagte er dem französischen Fernsehsender France 24.

Mehrere Ursachen

Neben Missernten infolge von Dürren und Überschwemmungen werden auch die hohen Ölpreise und der schwache Dollar für den seit drei Jahren zu beobachtenden Anstieg der Nahrungsmittelpreise verantwortlich gemacht. Hinzu kommen wachsende Importe nach China und Indien sowie der Boom des Agrarsprits, der zur Verringerung von Anbauflächen für Lebensmittel geführt hat. Und auch Spekulanten, die agrarische Rohstoffe als gewinnbringende Anlageklasse entdeckt haben, treiben die Preise.

Unmittelbar vor ihrer Frühjahrstagung an diesem Wochenende drängen Weltbank und Internationaler Währungsfonds deshalb die Weltgemeinschaft zum Handeln. 500 Millionen US-Dollar (316 Millionen Euro) will Weltbank-Chef Robert Zoellick bereitstellen, um die ärgste Not in armen Ländern, vor allem den afrikanischen, zu lindern. Denn die Verdoppelung der Preise in den vergangenen drei Jahren könnte nach Schätzungen der Weltbank 100 Millionen Menschen in den Entwicklungsländern in noch größere Armut treiben.

Tägliche Ausgaben

Jüngste Daten lassen keinen Zweifel daran, wie brenzlig die Lage ist: Für Weizen schoss der Preis allein in den vergangenen zwölf Monaten um 120 Prozent in die Höhe. "Die Armen im Jemen geben inzwischen mehr als ein Viertel ihres Einkommens nur für Brot aus", berichtete Zoellick in Washington. Ausgaben für Kindernahrung, Gesundheit oder Behausung müssen hintanstehen. In Bangladesch, tausende Kilometer entfernt, verschlingt ein Zwei-Kilo-Sack Reis mittlerweile fast die Hälfte des täglichen Familieneinkommens. "Weil sie nirgendwo sonst sparen können, bedeutet das weniger Mahlzeiten." Zum Vergleich: Die Lebensmittelkosten in den USA und der EU machen nur rund 15 Prozent der Haushaltsausgaben aus.

Die Weltbank befürchtet einen massiven Rückschlag bei ihrer wichtigsten Aufgabe, dem Kampf gegen die Armut. "Wir schätzen, dass die Auswirkungen dieser Ernährungskrise gleichbedeutend sind mit sieben verlorenen Jahren bei unseren Bemühungen, die Armut zu verringern", spielte Zoellick auf die "Millenniumsziele" an (siehe Wissen).

Ein schnelles Ende der Lebensmittelknappheit ist nicht absehbar: Die weltweiten Getreidevorräte sind auf den tiefsten Stand seit den 80er-Jahren gesunken. Die angespannte Versorgungslage dürfte sich erst im Laufe des Jahres etwas verbessern, da heuer mit einer Getreide-Rekordernte von 2,16 Mrd. Tonnen gerechnet wird. Dies wäre eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 2,6 Prozent. Bei Reis wird eine ähnliche Entwicklung erwartet. Auch im reichen Europa verteuerten sich im letzten Jahr die Nahrungsmittel. Laut dem deutschen statistischen Bundesamt stiegen die Preise für Getreide, Saaten und Futtermittel im März 2007 im Jahresabstand um 52 Prozent. Die Großhandelspreise stiegen im März so stark wie seit 1982 nicht mehr. (red, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12./13.4.2008)