Goran Ferèec, Preisträger aus Kroatien.

Foto: Anna Rauchenberger

Wien – Im Mittelpunkt des Dramatikwettbewerbes "Über Grenzen sprechen" steht, möchte man meinen, der Übersetzer. Im konkreten Fall war es Klaus Detlev Olof, der den Siegertext 2007 des 25-jährigen kroatischen Autors Goran Ferèec ins Deutsche übertrug. "Über Grenzen sprechen" ist ein zwar österreichischer Wettbewerb, der sich aber an Theaterautoren aus südosteuropäischen Ländern (jedes Jahr an ein anderes) richtet.

Die Idee dazu hatte der in Wien ansässige junge Regisseur Christian Papke nach der Lektüre von Gedichtbänden mazedonischer Autoren. "Diese Lyrik drängt sprachlich extrem nach vorne", erzählt Papke, der daraufhin nach mazedonischer Dramatik suchte und erkennen musste: "Wenn du nicht übersetzt bist, existierst du nicht." Mit der Grundidee, das Lebensgefühl von Menschen, "immerhin unseren Nachbarn", in Zeiten des Wandels zu dokumentieren, wurde der Wettbewerb erstmals 2004 mit dem Außenministerium und dem österreichischen PEN-Club, dessen jüngstes Vorstandsmitglied Papke ist, als Partnern ausgeschrieben – gerichtet an Autoren aus Mazedonien.

In den darauffolgenden Jahren wanderte das Projekt nach Serbien und 2007 eben Kroatien, dieser Tage startet die neue Ausschreibung, die sich 2008 an Autoren aus Bosnien-Herzegowina richtet. Die Theatertexte, die thematisch dem Titel des Bewerbs folgen sollen, können nun bis Ende 2008 eingereicht werden.

Der Sieger erhält ein Preisgeld und, was Papke wichtiger ist, sein Text wird sowohl inszeniert als auch ins Deutsche übersetzt und mit einer Erstauflage von 10.000 verlegt. Das Auswahlverfahren ist freilich nicht unkompliziert. Eine fünfköpfige, multinationale Jury muss sich hauptsächlich nach englischen Arbeitsübersetzungen der Dramen richten. Zuletzt waren es gut 30 Stücke, denen, so Papke, gemein war, dass sie "in die brennenden Vorstädte von Paris genauso passen wie etwa nach Polen – wir leben unter demselben Himmel."

Der Kroate Goran Ferèec erhielt vergangene Woche die Auszeichnung für seinen Brief an Heiner M., ein wild fließender, abstrakter und sprachlich hochentwickelter Bewusstseinsstrom eines Ich-Erzählers, der außer besagtem Brief ein gefaltetes Heiner-Müller-Foto in seiner Tasche trägt und mit seinem Handeln eine komplexe "Performance" ausführt. Ein Theatertext? Und ob – noch dazu einer, der den von Papke angestrebten kulturellen Brückenschlag schon im Titel trägt.

Parallel zur Bearbeitung von Ferèecs Brief beschäftigt Papke nun eine Inszenierung für das "Mess"-Theaterfestival in Sarajevo: Im Herbst wird er dort Bernhards Macht der Gewohnheit zur Aufführung bringen – eine Übersetzung des Schauspiels ins Bosnische wird eigens dafür gefertigt. (Isabella Hager, DER STANDARD/Printausgabe, 15.04.2008)