Busek fordert fordert den Kandidaten-Status für alle Balkanländer.

Foto: Robert Newald, DER STANDARD
Jetzt sollten die jungen Länder des Balkans ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen, fordert Erhard Busek. Und die junge Generation müsse die EU kennenlernen.

STANDARD: Sie sind seit nun rund sechs Jahren EU-Koordinator für den Balkan, im Juni endet Ihre Tätigkeit. Wie sieht Ihre Bilanz aus?

Busek: Die Situation der Demokratie ist in der Region sehr gut geworden. Man darf nicht vergessen, es sind Jahre nach Kriegen, es gibt neue Landkarten und Staaten, die keine demokratischen Erfahrungen haben. Die Wahlen laufen alle korrekt ab. Natürlich gibt es _labile Regierungssituationen, aber die gibt es in Italien auch. Vor allem aber ist die wirtschaftliche Entwicklung ein großer Erfolg, es gibt sehr hohe Wachstumsraten. Und man muss sagen, dass das natürlich auch eine große Erfolgsstory für die österreichische Wirtschaft ist – das muss man sehr deutlich der österreichischen Öffentlichkeit sagen. Denn wir leisten uns partiell immer noch eine gewisse Ablehnung dieser Region.

STANDARD: Das hat der Balkan mit Osteuropa gemeinsam.

Busek: Das ist richtig, das ist eine generelle Einstellung. Das ist gar nicht so geografisch genau verortet, das ist emotional. Ganz positiv muss man herausheben: Der Balkan-Stabilitätspakt war die erste Erfahrung der EU mit einem breiter angelegten Stabilisierungselement. Aus dem vierjährigen Versagen während der Balkan-Kriege hat die EU etwas gelernt, obwohl der Erziehungs-, der Wissenschafts- und der Gesundheitsbereich vorerst einmal leider ausgeklammert waren. Im Erziehungsbereich konnte ich dann dank des Europäischen Parlaments – das muss ich dreimal unterstreichen – ab Mai 2006 etwas tun. Sie können die allgemein verlangte Versöhnung nie erreichen, wenn Sie nicht im Bereich Geschichtsbücher, Jugend und Erziehung tätig werden.

STANDARD: Serbien soll näher an die EU herangebracht werden – wie sieht es da in der Visa-Frage aus?

Busek: Das ist ein großes Problem, und da bin ich gegenüber den Mitgliedstaaten sehr kritisch. Die Außenminister verkünden ständig, dass die Visa-Erteilung funktioniert, aber die Innenminister wissen nichts davon. Ich persönlich bin – ich sage das sehr direkt – für eine totale Freigabe der Visa, denn ein guter Krimineller bekommt immer ein Visum. Wir würden damit sehr viele Probleme lösen, etwa die Versuchung zur Korruption. Das Serbien-Problem ist ein Visa-Problem. Die junge Generation konnte Europa nie kennenlernen, während Eltern und Großeltern selbstverständlich reisen konnten. Das ist niemandem zu erklären.

Um einen weiteren markanten Vorschlag zu machen: Ich bin dafür, allen diesen Ländern den Kandidatenstatus zu geben. Die einen werden drei Jahre brauchen, die anderen 20 Jahre, aber das würde die Politik unter Druck setzen, zu liefern und nicht blöde Ideen zu haben. Die eigentliche Triebfeder ist die Perspektive EU-Mitgliedschaft und Nato-Mitgliedschaft, das muss man auch dem neutralen Österreich sagen. Auch bei uns wurden ja dringend nötige Reformen erst mit der „Ausrede“ EU-Mitgliedschaft gestartet.

STANDARD: Was hat Ihnen die größten Probleme bereitet?

Busek: Am Anfang hat die EU-Kommission den Stabilitätspakt als einen Konkurrenten empfunden. Das hat sich aber zu einer tadellosen Zusammenarbeit entwickelt. Was auch ein Problem war, ist die mangelnde Kenntnis des Balkans in Ländern (zögert) – westlich der EU.

STANDARD: Das Stabilitätspakt-Programm endet im Juni. Wie geht es weiter?

Busek : Es gibt das sogenannte Regional Cooperation Council mit einem Sekretariat in Sarajewo und einem kleinen Büro hier in Brüssel. Die machen das Gleiche wie wir, nur mit dem Unterschied: Bisher haben wir gesagt, was zu tun ist, und jetzt müssen sie das selbst wissen. Das ist ein historisch überaus bedeutender Schritt.