Wenn Amy Winehouse und Karl Lagerfeld "reloaded": Es schwebt!

Foto: Donaufestival
Krems – Dass die westliche Welt nicht immer zum Besten für deren Bewohner eingerichtet ist, zeigen uns nicht nur Klimawandel, Security-Check auf dem Flughafen, Hedgefonds, Opinion-Leaders und Dotcom-Dingsbums. Noch vor Rock’n’Roll ist der Westen in kultureller Hinsicht spätestens seit den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts "echt@sand.at".

Wir müssen vom damals etablierten Musical sprechen. Schlechte Boulevardstücke, in denen alle drei Minuten ohne Not melodiös meist im Seichten tauchend geschrien wird. Die oben genannte österreichische Toplevel Domain weist darauf hin: Seit Cats und Elisabeth regiert die Barbarei. Mit unglaubwürdigen Frisuren ausgestattete Menschen, die zum Gaudium ganzer Busladungen von Raika-Filialkunden Dreiklänge in Dur und Forte und Kasernenton zerlegen. Musicals, die Marschmusik kulturell eilig interessierter Menschen.

Zur Eröffnung des Donaufestivals in Krems nun im Sinne des Festivalmottos "Angst Obsession Beauty" die drastische Überspitzung des Genres. Die Wiener Party-, Happening- und Ballaballa-Partie H.A.P.P.Y wollte neun Jahre nach ihrem brüllend-komischen Musical-Weltmisserfolg Steffi um Leben und Wirken einer deutschen Tennis-Ikone mit der Auftragsarbeit Lagerhouse – Zwei Leben zwischen Cola und Crack noch einen draufsetzen. Nichts weniger als "das schlechteste Musical der Welt" erlebte seine Premiere. Harter Stoff, von den H.A.P.P.Y.-Chefitäten Christopher Wurmdobler und Thomas Seidl im Verein mit Komponist Werner Leiner geschrieben.

Auf der Flucht vor den Paparazzi treffen einander in einer Damentoilette die zwei Klatschpresse-Opfer Karl Lagerfeld und Amy Winehouse, um sich ihr Herz auszuschütten: "Und alle können es sehn, wie wir zugrunde gehen. Doch wir finden das wunder-wunderschön!" Brutal gesagt: In ihrem Bestreben, einen derartigen Schrott zu produzieren, sind H.A.P.P.Y. restlos gescheitert. Das liegt einerseits daran, dass man sich grundsätzlich nur erfolgreich über Dinge lustig machen kann, die einem nahestehen. Andererseits wirken bei tatsächlichen heimischen Musical-Profis die Choreografien auch nicht plausibler.

Am Ende, nachdem Coco Chanel, Mutter Lagerfeld und Papa Winehouse und ein Chor von Strichbuben, Magermodels und Paparazzi aufmarschiert sind, hat das Ensemble alle Lacher auf seiner Seite. Ihm fliegen auch die Herzen zu. In jedem Zynismus verbirgt sich Idealismus: "Komm heim Amy!" (Christian Schachinger, DER STANDARD/Printausgabe, 25/26.04.2008)