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Foto: AP/ Endlicher
Die Überwachungsaktion des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) gegen die afghanische Regierung war offenbar umfangreicher als bekannt. Nicht nur das persönliche E-Mail-Konto des afghanischen Handelsministers Amin Farhang sei betroffen gewesen, sondern das gesamte Computernetzwerk seines Ministeriums, berichtete das Nachrichtenmagazin Der Spiegel am Samstag im voraus aus seiner neuen Ausgabe.

Unterlagen vernichtet

Das Bundeskanzleramt will demnach nun mit einer Sonderprüfung der Frage nachgehen, ob der BND im Zuge der Operation auch weitere afghanische Ministerien ausforschte. Die Aufarbeitung werde aber dadurch erschwert, dass offenbar die meisten Unterlagen über den Einsatz vernichtet worden seien.

"Keine Methoden eines Rechtsstaats"

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) telefonierte am Samstag wegen der Affäre mit seinem afghanischen Kollegen Rangin Dadfar Spanta. Er habe sein Bedauern über die in der Diskussion stehenden Vorfälle zum Ausdruck gebracht, sagte eine Sprecherin Steinmeiers in Berlin. Beide Außenminister hätten jedoch die guten und vertrauensvollen Beziehungen nicht beeinträchtigt gesehen. Steinmeier werde auch noch am Wochenende das Gespräch mit Farhang suchen. Spanta hatte kurz zuvor dem "Spiegel" zu der Überwachung gesagt: "Ich bin entsetzt und abgestoßen von diesen Methoden, die in einem Rechtsstaat nichts zu suchen haben." Er wolle keinen "lauten Skandal". Doch fügte er hinzu: "So etwas darf nie wieder passieren." Dies sei die Haltung der gesamten afghanischen Regierung.

Weitere Mitgieder abgehört?

Die Mitteldeutsche Zeitung vom Samstag berichtete, die afghanische Regierung schließe nicht aus, dass neben Farhang weitere Kabinettsmitglieder vom BND abgehört worden seien. In Regierungskreisen in Kabul heiße es überdies, es sei nicht nur Farhangs E-Mail-Verkehr mit der Spiegel-Reporterin Susanne Koelbl überwacht, es seien auch sämtliche Telefon-Gespräche Farhangs von seinem Büro und seinem Privathaus in Kabul abgehört worden - darunter private Telefonate mit seiner in Bochum lebenden Familie. BND-Mitarbeiter oder von ihnen beauftragte Afghanen seien in das Arbeitszimmer des Ministers eingedrungen, um die technischen Voraussetzungen zur Überwachung zu schaffen.

Auch Passwörter ausgespäht

Laut Spiegel setzte die Pullacher BND-Stelle "Operative Unterstützung und Lauschtechnik" (Opus) eine spezielle Spähsoftware im Computernetzwerk des afghanischen Handelsministeriums ein, die in der Folge umfangreiche Daten nach Pullach übermittelt habe. Darunter befanden sich demnach diverse Regierungs-Mailadressen, vertrauliche Dokumente, aber auch Passwörter. Auf diese Weise sei der Geheimdienst unter anderem an die Zugangsdaten für Farhangs persönliche Yahoo-Mailadresse gelangt. So habe der Geheimdienst auch den Austausch mit der Spiegel-Reporterin überwachen können.

Computer im Kongo infiziert

Laut Spiegel hatte der BND bereits 2007 im Kongo Computer mit Trojanern infiziert, um den Bundeswehreinsatz in dem afrikanischen Krisenland abzusichern. Ein BND-Mitarbeiter habe dies missbraucht, um eine romantische Mail-Korrespondenz seiner Partnerin mit einem Bundeswehrangehörigen auszuforschen. Anschließend seien die Richtlinien für den Einsatz von Trojanern im BND verschärft worden. Nach einer Dienstanweisung des Kanzleramtes dürfen dem Bericht zufolge Online-Durchsuchungen vom BND ab sofort nur noch in Ausnahmefällen und nach persönlicher Genehmigung des Präsidenten angewandt werden. BND-Chef Ernst Uhrlau steht wegen der Abhöraktion schwer unter Druck. (APA/ AFP)