Zu allergischen Kreuzreaktionen, demonstriert Sabine Baumgartner, kann es kommen, wenn Betroffene nicht wissen, was in einem Lebensmittel alles drinnen ist. Dagegen helfen Tests und Information.

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Schnell erkennen, was man nicht verträgt: Grundlagen für den Wunsch vieler Allergiker liefert die Lebensmitteltechnologin Sabine Baumgartner am Doppler-Labor in Tulln. Michael Freund sprach mit ihr über veröffentlichte EU-Regelungen und versteckte Probleme im Essen.

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STANDARD: Wenn von Allergien im Zusammenhang mit Ernährung die Rede ist, denkt man auch an immer kompliziertere, zu wenig erforschte Zusatzstoffe in den Nahrungsmitteln. Ist das, zynisch gefragt, zwar schlecht für die Menschen, aber gut für Ihr Forschungsgebiet?

Baumgartner: Eigentlich schon. Durch die Globalisierung kommen immer mehr Lebensmittel zu uns, dadurch wird die Palette für Allergien einfach größer. Es hat aber auch mit zu viel Hygiene zu tun, das heißt, es gibt heute weniger Berührung mit und daher aktive Abwehr von Fremdstoffen.

STANDARD: Es gibt unveränderbare Allergien und solche, bei denen man eingreifen kann. Arbeiten Sie auf beiden Gebieten?

Baumgartner: Bei der Erkennung geht es um beides, da ist die Heftigkeit, bzw. ob es angeboren ist, egal. Wir versuchen natürlich, die wichtigen Allergene zu finden, und entwickeln dafür Tests. Nehmen wir Erdnüsse als Beispiel: Da gibt es zwei Hauptallergene, und die wollen wir von der lebensmittelchemischen Seite nachweisen.

STANDARD: Sollen auch Laien in die Lage versetzt werden, diese Stoffe nachzuweisen?

Baumgartner: In erster Linie sind die Tests für Lebensmittelhersteller gedacht. Man soll direkt am Band etwa bei der Schokoladeerzeugung feststellen können, ob - von einem vorherigen Produktionsprozess - noch bestimmte Nüsse vorhanden sind. Das kann bei kleineren Herstellern durchaus passieren. Man setzt dann mikrobiologische Testpunkte, bei denen man eine eventuelle Gefährdung einsehen kann.

STANDARD: Wie verfährt man dabei?

Baumgartner: Bis jetzt wurden die Analysen meist nach draußen gegeben, Untersuchungsanstalten haben das untersucht. Da sind alles in allem circa zwei Tage vergangen, bis man gewusst hat, ob das Lebensmittel in Ordnung war. Mit den Tests, die wir entwickeln, weiß man das in zehn Minuten.

STANDARD: Sie machen die Grundlagenforschung dazu. Was genau?

Baumgartner: Es gibt gesetzliche Vorgaben von der EU, welche Allergene vermerkt werden müssen. Wir nehmen uns bestimmte Stoffe - Milch, Eier, Haselnüsse, andere Nüsse - und präparieren aus ihnen Proteine. Mithilfe immunochemischer Ansätze produzieren wir Antikörper; die bekommen wir aus behandelten Tieren wie Mäusen oder Hühnern. Mit den Antikörpern entwickeln wir die Testsysteme. Dazu testen wir auch noch verschiedene Membrane und unterschiedliche Konzentrationen an verschiedenen Lebensmitteln. Das Resultat sind Streiferln, die eingetaucht werden. Anhand der Linien, die auf ihnen erscheinen, weiß ich, was drinnen ist.

STANDARD: Apropos Schokolade - die Hersteller haben ja erwirkt, dass in der EU nicht draufstehen muss, wenn dem Kakaofett andere, billigere Fette beigemischt sind. Kann ein Allergiker nun das Produkt selbst testen?

Baumgartner: In diesem Fall ja, weil man die Schokolade schmelzen und den Teststreifen eintauchen kann. Der Markt dafür ist sicher da. Im Bereich der Zöliakie (Allergie auf Eiweiß aus dem Weizen) kann man Lebensmittel bereits zu Hause überprüfen.

STANDARD: Es scheinen immer mehr Leute von Allergien betroffen zu sein. Wissenschafter kennen sich gut aus, können aber oft nicht vermitteln, und bei Journalisten und populärwissenschaftlichen Autoren ist es häufig umgekehrt. Auf welche Informationen ist aus Ihrer Warte Verlass?

Baumgartner: Im Bereich der Allergien sehe ich, dass viel gemacht wird, es gibt Seminare usw. Kaum war übrigens unser CD-Labor eröffnet (das Christian-Doppler-Labor für die Analytik allergener Lebensmittelkontaminanten in Tulln), haben mich Leute angerufen und gefragt, ob sie bei mir Allergien testen können. Da muss man noch aufklärend arbeiten, dass wir Lebensmitteltechniker sind und keine Mediziner. Es gibt aber auch einen Cluster, da gehören Forscher vom AKH Wien und in Salzburg dazu. Die beschäftigen sich mit der Entwicklung von Impfstoffen.

STANDARD: Nochmals zu den Ingredienzien in Lebensmitteln: Es gibt immer weniger sozusagen natürliches Essen und immer mehr technisch konstruierte Ernährungsprodukte. Soll man sich darauf verlassen, dass der menschliche Organismus mit Begleiterscheinungen wie eben häufigeren Allergiefällen irgendwie fertig wird?

Baumgartner: Ich denke, das ist ein gesellschaftliches Problem: Man nimmt sich keine Zeit mehr, Lebensmittel einzukaufen und zu kochen, weil alles schneller gehen muss. Vielleicht wird man das eines Tages vertragen können, aber jetzt noch nicht.

STANDARD: Wo liegen Chancen dafür, dass sich das zum Besseren ändert?

Baumgartner: Bei uns ist die Lebensmittelkontrolle eigentlich sehr gut. Durch das Implementieren von EU-Regelungen könnte das aufgeweicht werden. Die Kontrollen müssen weiterhin die Möglichkeiten haben, neue Produkte zu kontrollieren. In die Allergieliste sind Weichtiere und Pflanzen mit proteinhaltigen Blüten (Lupine) aufgenommen worden. Bei Letzteren kann es zu Kreuzreaktionen mit Erdnüssen kommen. Das Problem ist: Man ist mit den Tests immer einen Schritt hinterher. Lösen kann man es wahrscheinlich nur, wenn man alles möglichst gut und schnell nachweisen kann - und die Leute entsprechend informiert. (DER STANDARD, Printausgabe, 30.4.2008)