Sich nur dem Rauschen hingeben oder sich auf das Unheimliche einlassen: Susan Hillers Audio-Skulptur "Witness".

Foto: Taylor Gallery, London

Wien – Man durfte gespannt sein. Dreizehn Jahre lang hatte die Generali Foundation unter Federführung von Sabine Breitwieser diese Architektur bespielt und dabei eine präzise und charakteristische Handschrift entwickelt. Wie würde also nun jemand anderer mit dem weitläufigen Raum umgehen?

Daher zunächst ein Blick nach links: eine Wand. Ein zweiter Blick nach rechts, wo sich üblicherweise die große Halle lichtdurchflutet öffnet: wiederum eine Wand. Neugierig begibt man sich über Umwege in den Raum dahinter. Dort beginnt man zu verstehen.

Im Dunkel des Raumes ist Susan Hillers raumgreifende Soundinstallation "Witness" (2000) untergebracht. 400 Lautsprecher hängen im blauen Licht silbrig glänzend von der Decke. Zusammen mit dem Raunen von ebenso vielen Stimmen erzeugt das eine so feierliche wie gespenstische Stimmung. Das Unheimliche und das Wispern und Rauschen von Stimmen sind wiederkehrende Motive bei Hiller. In "Witness" breitet sie ein Meer aus übersinnlichen Geschichten aus, Erzählungen über Ufo-Sichtungen. "Früher haben die Leute Engelserscheinungen gehabt, heute sehen sie Ufos", schmunzelt Hiller.

Charakteristisch für ihr vielseitiges, lebendiges Werk, mit dessen Präsentation die Bawag Foundation ihren Konzeptkunst-Schwerpunkt gelungen fortsetzt, ist aber das Sichtbarmachen des Unerklärlichen, des Unbewussten, von Visionen und Ängsten, die sich mitunter in Träumen offenbaren und viel über die Gesellschaft aussagen.

In "The Last Silent Movie" (2007) stehen abermals Stimmen im Zentrum. Das ist kein Widerspruch, denn die Stille bezieht sich auf die Gefahr des Aussterbens von Sprachen. Zugunsten dieser, etwa des Niedersorbischen (Niederlausitz), löscht Hiller in dieser auch auf der Berlin Biennale gezeigten Arbeit die Dominanz des Bildes aus. Wirklich verstummt ist hingegen ihre zweite Arbeit für Berlin: Einer 70 Dezibel lauten, viertelstündig ertönenden Soundskulptur im öffentlichen Raum wurden nächtens die Kabel durchtrennt.

Zwischen Ernst und Humor, Kritik und Ehrung oszillieren ihre Auseinandersetzungen mit Marcel Duchamps "Aurabild" "Portrait Dr. Dumouchel", Yves Kleins "Sprung ins Leere" und Sigmund Freuds Antikensammlung, denen sie ein museologisches Schachtelarchiv mit makabren, banalen oder sentimentalen Objekten entgegensetzt. "Ich bin keine Freudianerin", erklärt Hiller sehr entschieden, sie interessiere sich nur besonders für jene weniger beachteten Teile seiner – im Übrigen "sehr poetisch formulierten" – Schriften.

Später erklärt sich auch die zweite aufgezogene Wand: Dahinter verbirgt sich eine Arbeit, die sich mit einem gern verschwiegenen Teil der Geschichte beschäftigt. In "The J. Street Project" dokumentiert sie deutsche Straßen- und Ortsnamen, die das Wort "Jude" enthalten. Es ist Hillers wohl nüchternste und direkteste Arbeit, aber zugleich auch die unheimlichste. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.5.2008)