Al Green: "Lay It Down" (Blue Note/EMI) Ab 23. Mai

Yeah, Baby, ich bin es, dein Priester. Al Green, Soul-Gott und Gottesmann in einem, schlurft wieder einmal in weltlicher Mission um die Häuser.

Foto: Blue Note

Willkommen im Zeitloch! Der Mann, der uns, seine ergebenen Hörer und vor allem Hörerinnen, dort hinführt, ist der Typ da oben im Nadelstreif. Sein Gang und sein Lächeln hätten ihm sofort eine bessere Nebenrolle in Quentin Tarantinos Pulp Fiction eingebracht, bei dem er immerhin mit einem Soundtrack-Eintrag vertreten war.

Er heißt Al Green und ist einer der letzten Großen des Southern Soul. Also einer Spielart des Soul, die aus dem US-amerikanischen Süden kommt, wo sie nahe an der Inbrunst des Gospels angesiedelt ist, Jesus aber, so geht die Legende, zugunsten von Baby entsagt hat. Wobei das eben bei Al Green nicht ganz stimmt. Dieser ist nämlich ein Zerrissener.

Immer schon tiefgläubig, ereilte den Mann mit der samtenen Engelsstimme, die in ebendieser Eigenschaft auch verdammt sexy klingt, in den frühen und mittleren 70er-Jahren das Schicksal des Pop-Superstars. Damals berührte er mit ewig gültigen Songs wie Let's Stay Together, Tired Of Being Alone, Sha-La-La (Make Me Happy), Full Of Fire und vielen anderen mehr nicht nur die Seelen seiner Fans, er naschte auch reichlich von den profanen Begleitumständen des Erfolgs.

Al war ein Lumpi. Warum auch nicht? Mehrere kleine und große private Tragödien erschütterten ihn jedoch in seinen Grundfesten. Als eine Freundin ihn im Badezimmer vorsätzlich mit heißem Brei überschüttete, ihm damit Verbrennungen zweiten und dritten Grades zufügte und sich anschließend mit einem seiner Revolver das Leben nahm, wandte sich ein deshalb immer stärker zweifelnder Green langsam vom weltlichen Markt ab und folgte dem Ruf des Herren, den er bis heute zu vernehmen meint. Aus Al Green wurde Reverend Al Green, und dieser eröffnete in seiner Wahlheimat Memphis, Tennessee, die Church Of Full Gospel Tabernacle.

Die Dokumentation The Gospel According To Al Green aus den 80ern zeigt den Mann in dieser Funktion in unfassbarer Intensität. Ekstase beim Gottesdienst! Ja, so möchte man auch hier bekehrt werden. Es folgte eine Ära, in der Green hauptsächlich Gospelalben aufnahm, bis er, wie Spötter und Kritiker des wegen seiner homophoben Predigten nicht nur geschätzten Sängers meinen, wieder einmal Geld brauchte. Dann ging der Reverend - wohl auch eingedenk des schönen Wortes "God made me funky" - wieder auf Tournee und betörte mit den Songs von früher immer noch die größten Hallen.

So entstand auch ein brillantes Zwischenwerk, nämlich das 1994 erschienene Album Don't Look Back, auf dem er sich mit seinem Soul unter erlesenen Produzentenhänden wie jenen der Fine Young Cannibals absolut auf Höhe der Zeit zeigte. Anfang der Nullerjahre veröffentlichte er schließlich beim Traditionslabel Blue Note zwei Alben, das erste davon mit seinem alten Produzenten aus den 70ern an den Reglern: Willie Mitchell, der den sanft schmierigen, fantastisch federnden und abgebremsten Funk entworfen hatte, mit dem Green zum Soul-Gott wurde.

Mit Lay It Down erscheint nun das dritte Blue-Note-Album. Dieses Mal vertraute Green, mittlerweile 62, jungem Blut und ließ sich unter anderem vom Schlagzeuger der HipHopper The Roots, Ahmir "?uestlove" Thompson, produzieren und lud sich verwandte Seelen wie die Neo-Soulster John Legend oder Corinne Bailey Rae ein und stellte auch einen Scheck für die Dap Kings aus. Jenen Bläsersatz, der hinter der unpackbaren Sängerin Sharon Jones steht und der auch auf Amy Winehouse' Album Back To Black in die Hörner stößt.

Die Ergebnisse reihen sich neben Greens Großtaten der 70er ein. Meist im sexy verhuschten Midtempo croont, jauchzt und jubiliert Al bis zu seiner und der Hörer Verzückung. Thompson selbst hat am Schlagzeug Platz genommen und versorgt die Songs mit den Green-typischen, reduzierten Klicke-di-klack-Beats, die, bei aller Gefühlstiefe des Meisters, dafür sorgen, dass hier alles leichtfüßig bleibt.

Die Produktion ist satt und richtig "deep", die Synkopen weisen auf Slow Funk, und wenn das zurückgenommene Tempo wohl auch etwas Greens Alter geschuldet ist - den Lumpi gibt der Reverend immer noch sehr, sehr glaubwürdig. Amen! (Karl Fluch / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.5.2008)