Wolfgang Muthspiel

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In Zeiten wie diesen ist jeder Musiker irgendwie auch Unternehmer. Gitarrist Wolfgang Muthspiel ist es nicht nur irgendwie. Mit Material Records hat er vor einigen Jahren ein Label gegründet, das nicht nur seine eigenen Ideen am Markt platziert. 21 Produktionen sind bisher herausgekommen, pro Jahr sollen vier Neuheiten folgen. "Die Struktur, die sich aufgebaut hat, ermöglicht, dass ich bei dem bleibe, was ich eigentlich will - Musik machen. Das Label kostet mich etwa eine Stunde am Tag, ich habe drei Leute, die auf freier Basis arbeiten. Ich möchte jetzt auch eine Bookingstruktur aufbauen, mittlerweile funktionieren CDs ja nur in der Synergie mit dem Liveact. Die Jazzer sind dafür prädestiniert, da sie spielen wollen und live am überzeugendsten klingen."

Zudem sitzt nun auch ein Mann in London, "ein Labelmanager, der viele Dinge macht, die ich weder zeitlich noch vom Wissen her schaffen würde - gewisse Dinge im Vertriebsbereich etwa." Die Labelarbeit hat dann aber auch durchaus positive Rückwirkungen aufs Musikmachen. Muthspiel hört in alles rein, was ihm so geschickt wird, "das macht Spaß, ich bekomme so mit, was sich in der Szene tut." Muthspiel ist eine typische Figur des Umbruchs, die die Veränderungen im Business hautnah erlebt hat. Seinerzeit war er mit einem schönen Vertrag bei Polygram (jetzt Universal) ausgestattet, im Zuge der Einsparungen war er aber irgendwann den Kontrakt los. "Ich war in New York, und jedes Mal, wenn ich anrief, war ein anderer Chef der Jazzabteilung. Man konnte nichts langfristig besprechen. Als ich dann ohne Vertrag dastand, verstand ich auch die Vorteile der Freiheit. Ich konnte hineinhören, sehen, wo meine Musik hinwill. Das dokumentierte ich dann. Darauf werde ich nicht mehr verzichten."

Künstlerisch hat der Umbruch also was gebracht. Da war unlängst dieses wunderbare Friendly-Traveler-Album mit Wayne-Shorter-Percussionist Brian Blade, nun gibt es die Möglichkeit, beim Muthspiel-4tet zu studieren, wie sich der Grazer im formalen Rahmen von Songs als Improvisator bewegt. Improvisation? "Ich habe mir meine frühen Aufnahmen angehört. Da spiele ich gleich im ersten Moment so viele Noten, wie ich damals spielen konnte. Sehr viele ... Jetzt habe ich andere Prioritäten. Improvisation ist ein Lehrer. Je mehr man das ausdrückt, was bei einem da ist, umso besser. Es gibt einen mysteriösen Zusammenhang zwischen dem Geübten und dem, was im Moment passiert." (Ljubisa Tosic / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.5.2008)