Wiesbaden - Die deutsche Wirtschaft ist zum Jahresbeginn so stark gewachsen wie seit zwölf Jahren nicht mehr. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte im ersten Quartal mitten in der Finanzkrise kräftig um real 1,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal zu, meldete das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden. "Der wirtschaftliche Aufschwung des vergangenen Jahres hat sich damit unvermindert fortgesetzt", schrieben die Statistiker. Die Wirtschaft habe sich trotz des starken Euro und der Rekordölpreise als "sehr robust" erwiesen. Das Plus fiel überraschend hoch aus; zum Jahresende 2007 hatte der Zuwachs nur 0,3 Prozent betragen.

Zuletzt hatte die Konjunktur im Frühjahr 1996 stärker zugelegt. Wichtigster Konjunkturmotor ist derzeit das Inland, allerdings ließen Sonderfaktoren das Wachstum so kräftig ausfallen. Die ungewöhnlich milde Witterung bescherte der Bauindustrie einen Boom - diese Aufträge dürften im Frühjahr fehlen. Die Firmen investierten deutlich mehr als im Vorquartal. Auch der private Verbrauch, der zwei Drittel der Wirtschaftsleistung ausmacht, trug nach Angaben der Statistiker leicht zum Wachstum bei. Die Exporte liefen zwar trotz des starken Euro gut, doch wegen des Anstiegs der Importe bremste der Außenhandel insgesamt das Wirtschaftswachstum. Gegenüber dem Vorjahr legte die Wirtschaft zu Jahresanfang um 1,8 Prozent zu.

Experten erwarten für 2008 mehr als 2 Prozent

Experten erwarten nach dem überraschend starken ersten Quartal für 2008 ein Wachstum von mehr als zwei Prozent. "Die Chancen sind gut, dass es mehr als zwei Prozent werden", sagte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger. Auch das Münchener Ifo-Institut rechnet nun mit mehr als zwei Prozent.

Der Sachverständigenrat ging bisher ebenso wie die führenden Wirtschaftsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten von einem Plus von knapp zwei Prozent aus. Selbst bei einer deutlichen Konjunkturverlangsamung in den kommenden Monaten seien aber mehr als zwei Prozent erreichbar, sagte Bofinger. Mit 1,5 Prozent hat das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von Jänner bis März im Quartalsabstand so stark zugelegt wie seit fast zwölf Jahren nicht mehr.

"Die deutsche Wirtschaft ist kraftvoll gestartet", sagte Bofinger. "Haupttreiber ist die Industrie." Allerdings sei das gute Ergebnis auch durch Sondereffekte zustande gekommen. So seien am Bau wegen des milden Winters die saisonüblichen Produktionsausfälle ausgeblieben. Aus steuerlichen Gründen seien zudem viele Investitionen noch Ende 2007 in Auftrag gegeben worden, die dann zu Jahresbeginn abgearbeitet wurden. Für die kommenden Quartale zeichne sich eine Konjunkturabkühlung ab. "Darauf deutet die Entwicklung der Auftragseingänge, der Exporte und der Stimmungsindikatoren hin", sagte Bofinger.

Der Wirtschaftsweise warnte deshalb die Europäische Zentralbank (EZB) davor, die Zinsen zu erhöhen und damit noch mehr Tempo aus der Konjunktur zu nehmen. Zudem lasse auch der Preisauftrieb nach. "Die Preisentwicklung hat wohl ihren Höhepunkt erreicht", sagte Bofinger. "Der Gipfel ist überschritten."

Ifo-Konjunktur-Chef Kai Carstensen sagte am Donnerstag, "um unter Zwei zu kommen, bräuchten wir schon eine kleine Rezession". "Davon gehen wir eigentlich nicht aus." Das Ifo-Institut werde deshalb seine bisherige Prognose von 1,6 Prozent heraufsetzen. (APA)