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Wir sind die Roboter. Und wir wollen Kylie. Der australische Popstar Kylie Minogue in Wien.

Foto: APA/Oczeret

Wien – Man wird nie wieder das Bedürfnis haben, einer Musical-Aufführung beiwohnen zu wollen. Die Show, mit der Kylie Minogue und ihr Anhang am Mittwoch die Stadthalle erleuchteten, stellte sich als das tatsächlich sensationelles Spektakel mit all dem Glitzer und Glamour dar, die bei Stars dieser Größenordnung stets erwartet werden.

Die 39-jährige Australierin, die längst schon das ihr vom notorischen 80er-Trio Stock Aitken Waterman produzierte Image des Pop-Girlie ablegen konnte, erweist sich zunehmend als Konzeptkünstlerin und sympathischere, weil weniger verbissene Madonna. Hier wird nicht verkrampft versucht, den Puls der Zeit zu finden, hier wird einfach die Oberfläche von Pop bespielt.

Zu den Klängen von "Speakerphone" schwebt Minogue an einer Drahtkonstruktion in den Saal, auf der Bühne wird währenddessen von Tänzern mit Roboterhelmen ein Zukunftsszenario als Schnittmenge aus dem Film "Rollerball" und – ein übermächtiger Schatten des Abends – den französischen Dancefloor-Heiligen Daft Punk entworfen.

In der globalen Disco

Die links und rechts der Bühne auf Podesten platzierte Band evoziert den Geist der großen Space-Funk-Ensembles, etwa Prince and The Revolution oder Parliament. Schnell ist "Can't Get You Out Of My Head", der Song, mit dem Minogue sich in der globalen Disco installierte, von der Tagesordnung gespielt und die Euphorie im Saal entfacht.

Spätestens im zweiten Bühnen-Setting wird klar, dass es an diesem Abend um das Abklopfen pophistorischer Schauplätze gehen soll, um die große Referenzschau als Nummernrevue: Hier wird mit Cheerleadern und dem einen Neptunes-Beat imitierenden "Heart Beat Rock" optisch wie akustisch Gwen Stefanis Hit "Hollaback Girl" nachstellt. Man erinnere sich: B-A-N-A-N-A-S.

So gleitet Minogue, unterstützt von einem guten Dutzend Tänzern und einer gigantischen Leuchtwand im Hintergrund, durch üppige Tableaus, zwischen familienfreundlichen S/M-Boys, funkelnden Breakdance-Einlagen und wie von Pierre et Gilles platzierten Matrosen. Wenn die hyperreferenzielle Nabelschau aus dem Ruder zu laufen droht, steuert Minogue mit, ja, intimen Momenten gegen.

Aus dem Vorstellungsritual der Bandmitglieder schält sich der Song "2 Hearts", einer der Höhepunkte des Abends und gleichzeitig das beste Stück auf X, Minogues Comeback-Album nach ihrer Krebserkrankung. Neben gefälliger Gemischtware gelingen ihr und ihren Produzenten darauf nur wenige herausragende Stücke.

So steht der gesamte Abend im Zeichen von Hedonismus-Huldigung, die sämtliche Eckpfeiler stilvoll überdrehter Feiermusik als Verweise durchdeklinieren, um immer wieder in der Gegenwart, möglicherweise der Zukunft, von Mainstream-Pop anzukommen. Bei weich gezeichnetem French House, chartskompatiblen Derivaten von – schon wieder! – Daft Punk sowie Synth-Pop zwischen Pet Shop Boys und New Order.

Dennoch gestaltet sich die Darbietung als fiebriger Greatest-Hits-Dauerlauf. An dessen Ende: frenetischer Jubel. Dieser Abend möge als unaufdringliche Blaupause dafür durchgehen, wie die Performance eines Mega-stars aussehen kann und wie Pop funktioniert. Oder wenigstens die Inszenierung davon. Sie ist schließlich integraler Bestandteil, wenn nicht gar zentrales Thema desselben. (Philipp L'Heritier / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.5.2008)