Scherz des Anstoßes: Kanzler Gusenbauer, Freitagnachmittag vor Pfingsten mit Reisebegleitern in Argentiniens Parlament zu Gast, lobte vor Vizepräsident Julio Cobos (re.) und drei Abgeordneten (vorn) deren im Vergleich zu Österreich größeren Fleiß.

Foto: BKA/Zinner
Wien – Der Zorn der Abgeordneten über den Scherz des Kanzlers ist noch nicht verraucht, schon nimmt wieder jemand ihre Arbeitseinstellung aufs Korn: Nachdem Alfred Gusenbauer (SPÖ) in Argentinien vor Senatoren über den frühen Dienstschluss der heimischen Parlamentarier gespottet hatte („bei uns nach 16 Uhr kaum noch anzutreffen“), outete die U-Bahnzeitung Heute am Montag mithilfe einer (höchst unscharfen) „Foto-Doku“ die mangelnde Sitzungsdisziplin von grünen Hinterbänklern während einer Plenardebatte. Die Mandatare sollen auf ihren Laptops „Schifferlversenken“ gespielt haben, während der Nationalrat im vergangenen Dezember über Maßnahmen gegen Kindesmissbrauch diskutierte.

Ein weiteres, pikantes Dokument, das belegt, dass Abgeordnete ihren Job wenig ernst nehmen? Alexander Van der Bellen hält den jüngsten Vorwurf gegen seinen Klub jedenfalls „für einen Quatsch. Ich glaube das Ganze nicht.“ Den Obergrünen regt eher auf, dass seinen im Blatt „nicht einmal erkenntlichen“ Mandataren „über die Schulter in die Laptops fotografiert“ wurde: „Das ist ja das Letzte.“ Das Ganze komme einer „Verletzung des Briefgeheimnisses gleich“.

Auch der grüne Vizeklubchef Karl Öllinger erklärt, dass die Computerspieler in seiner Fraktion „sicher nicht“ ausgeforscht werden. „Das ist absurd. Wir werden weder den Internetzugang noch den Spielezugang für unsere Mandatare streichen. Bei der ganzen Geschichte frag ich mich schon, warum man die Empörung darüber so spät entdeckt.“ Es gäbe eben „Situationen“ im Parlament, die „sehr einschläfernd“ seien und wo man dann mit Hilfsmitteln versuche, „den Adrenalinspiegel zu halten“.

Aussprache mit Gusenbauer

Auch Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) verwehrt sich gegen Untergriffe. Am Montag, demonstrativ nach 16 Uhr, und zwar um 16.30 Uhr, traf sie mit Parteivorsitzenden Gusenbauer zu einer Aussprache zusammen – um dem Kanzler wegen seines missratenen Scherzes in Argentinien die Leviten zu lesen. Über den Inhalt des Gesprächs wollte Prammer vorerst keinerlei Auskunft geben, sie kündigte im Vorfeld aber eine Informationsoffensive des Hohen Hauses an.

Umso mehr ließ sich dafür die Dritte Nationalratspräsidentin Eva Glawischnig (Grüne) über den Seitenhieb von Gusenbauer aus. Sie warnte vor einer neuen „Politiker- und damit Demokratiefeindlichkeit“ im Land – und hielt dazu hoch, was die 420 Parlamentsmitarbeiter alles leisten.

Glawischnig beklagte sich außerdem über „Fernsehteams“, die nun „nach 16 Uhr im Parlament nach Abgeordneten suchen“. Dies sei „nicht mehr normal. Das ist ja völlig verrückt alles.“

Doch mit dem Näherrücken der parlamentarischen Sommerpause müssen sich die Mandatare traditionell noch eine andere Diskussion über ihren Arbeitseifer gefallen lassen: Vertschüssen sich die 183 Abgeordneten heuer von Mitte Juli bis Mitte September in den Urlaub – oder findet sich doch einiges auf ihrer Agenda?

Der Standard hat sich den Terminplan im Hohen Haus für die kommenden drei Monate besorgt, doch heuer steht allein schon der Juni vor allem im Zeichen der Fußball-Europameisterschaft.

Vor wenigen Wochen erklärte zumindest Peter Fichtenbauer (FPÖ), der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, noch, dass er eine „Permanenzerklärung“ des Kontrollgremiums durchsetzen möchte, damit dieses auch über den Sommer Sitzungen abhalten könne. Doch einen entsprechenden Formalbeschluss gibt es bis heute nicht.

Urlaub für U-Ausschuss?

Fichtenbauer, derzeit auf Dienstreise im Ausland, war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Offenbar rücken aber längst immer mehr Auschussmitglieder von diesem ursprünglichen Arbeitsvorhaben ab. Die grünen Ausschussmitglieder Peter Pilz und Albert Steinhauser versichern, dass es dafür einen guten Grund gebe: Wegen der Urlaubszeit könnten womöglich viele Zeugen ihren Ladungen nicht nachkommen – was wiederum die Ausschussarbeit unnötig erschwere. Pilz’ Vorschlag: „Ich plädiere daher dafür, dass wir im U-Ausschuss zwei Wochen länger arbeiten als vorgesehen und zwei Wochen früher anfangen“, als es der reguläre Parlamentskalender vorsehe.

Auch Nationalratspräsidentin Prammer hat sich bereits für eine fünfwöchige Sitzungsunterbrechung des U-Ausschusses ausgesprochen. Ihre Begründung dafür: „Es geht auch um die Beschäftigten und nicht nur um die Abgeordneten.“ Im Durchschnitt komme außerdem jeder Parlamentsmitarbeiter auf 150 Überstunden im Jahr, rechnet Prammers Büro vor. Und nur ein Teil davon könne überhaupt ausbezahlt werden – und unterm Jahr sei es fast unmöglich, Urlaub zu nehmen. (von Peter Mayr und Nina Weißensteiner/DER STANDARD, Printausgabe, 20.5.2008)