Kanzler Gusenbauers Vorschlag einer Imagekampagne für Österreich nach dem Amstettner Verbrechen war eine Schnapsidee. Aber es ist wahr, unser Image im Ausland ist ziemlich miserabel. Dabei war "Amstetten" nicht die Ursache, sondern eher eine Art Auslöser für eine ganze Kette von Klischees, die unter dem Suchbegriff "unsympathisches Österreich" sofort auftauchen: Hitler, Waldheim, Haider - und nun eben auch der Ingenieur mit dem Kellerverlies. Was tun?

Wie entsteht eigentlich das Image eines Landes? Ist es gerecht? Ist zumindestens etwas Wahres dran? Lässt es sich verbessern? Durch gezielte Regierungskampagnen sicher nicht. Aber die Erfahrung zeigt, dass sich nationale Klischeebilder im Laufe der Zeit und unter dem Einfluss politischer Ereignisse und auch politischer Moden sehr wohl verändern. Jüngstes Beispiel: Italien. Lange Jahre war Italien das Lieblingsland der Europäer, vorzugsweise der Deutschen und der Österreicher. Schönheit und Freundlichkeit, Sonnenschein und gutes Essen, große Kunst und heile Familien mit der Mamma als Oberhaupt - das alles assoziierten die Menschen spontan mit dem "Land, wo die Zitronen blühen". Neuerdings schieben sich andere Italienbilder in den Vordergrund. Berlusconi und seine dubiosen Geschäfte, die Müllberge von Neapel, die Mafia, fehlende Steuermoral und brennende Romasiedlungen.

Einen ähnlichen Imagewandel haben die USA erlebt. Aus dem Land der Freiheit, der unbegrenzten Möglichkeiten, der gesellschaftlichen und technologischen Avantgarde wurde in den Augen vieler die Heimat eines menschenverachtenden Neoliberalismus, letzte Bastion der Todesstrafe, Quelle von Krieg und Unterdrückung. So werden wie Amerika - das war noch vor 20 Jahren die Sehnsucht vieler Europäer. Heute ist es für mindestens ebenso viele eine Schreckensvision.

Und Österreich? In den Nachkriegsjahren galten wir als so etwas wie das bessere Deutschland, charmante Schlamperei versus sture Effizienz, Lebenskultur versus Kommandowirtschaft. Als die "Lebenslüge" von Österreich als erstem Opfer des Nationalsozialismus platzte, schlug das Pendel in die Gegenrichtung aus. Plötzlich entdeckte man unsere Schattenseiten, Verlogenheit und Denunziantentum, Provinzialismus und Duckmäuserei.

In Wirklichkeit haben natürlich alle nationalen Stereotype einen wahren Kern, die positiven wie die negativen. Die Franzosen sind freiheitsliebend und chauvinistisch, die Russen großherzig und chaotisch, die Engländer gentlemanlike und rücksichtslos. Und die Österreicher können, wie die allermeisten Menschen auf der Welt, so reizend sein wie unausstehlich.

Ja, es gibt einen Nationalcharakter, der durch die Geschichte bestimmt ist. Aber das Image eines Landes, wie es im Ausland wahrgenommen wird, ist immer oberflächlich und vergröbernd. Am besten ist es wohl, sich darum nicht allzu sehr zu kümmern und darauf zu hoffen, dass sich die Mode eines Tages wieder ändert. Amstetten hin oder her - ich wage zu prophezeien, dass Österreich in nicht allzu weiter Zukunft vom "country of dungeons" zum Geheimtipp für Lebenskünstler werden könnte. Irgendwann ist das Klischee vom ewigen Naziland schließlich einfach langweilig geworden. Sogar in den Texten von Elfriede Jelinek. (Barbara Coudenhove-Kalergi/DER STANDARD, Printausgabe, 21.5.2008)