Wie entsteht eigentlich das Image eines Landes? Ist es gerecht? Ist zumindestens etwas Wahres dran? Lässt es sich verbessern? Durch gezielte Regierungskampagnen sicher nicht. Aber die Erfahrung zeigt, dass sich nationale Klischeebilder im Laufe der Zeit und unter dem Einfluss politischer Ereignisse und auch politischer Moden sehr wohl verändern. Jüngstes Beispiel: Italien. Lange Jahre war Italien das Lieblingsland der Europäer, vorzugsweise der Deutschen und der Österreicher. Schönheit und Freundlichkeit, Sonnenschein und gutes Essen, große Kunst und heile Familien mit der Mamma als Oberhaupt - das alles assoziierten die Menschen spontan mit dem "Land, wo die Zitronen blühen". Neuerdings schieben sich andere Italienbilder in den Vordergrund. Berlusconi und seine dubiosen Geschäfte, die Müllberge von Neapel, die Mafia, fehlende Steuermoral und brennende Romasiedlungen.
Einen ähnlichen Imagewandel haben die USA erlebt. Aus dem Land der Freiheit, der unbegrenzten Möglichkeiten, der gesellschaftlichen und technologischen Avantgarde wurde in den Augen vieler die Heimat eines menschenverachtenden Neoliberalismus, letzte Bastion der Todesstrafe, Quelle von Krieg und Unterdrückung. So werden wie Amerika - das war noch vor 20 Jahren die Sehnsucht vieler Europäer. Heute ist es für mindestens ebenso viele eine Schreckensvision.
Und Österreich? In den Nachkriegsjahren galten wir als so etwas wie das bessere Deutschland, charmante Schlamperei versus sture Effizienz, Lebenskultur versus Kommandowirtschaft. Als die "Lebenslüge" von Österreich als erstem Opfer des Nationalsozialismus platzte, schlug das Pendel in die Gegenrichtung aus. Plötzlich entdeckte man unsere Schattenseiten, Verlogenheit und Denunziantentum, Provinzialismus und Duckmäuserei.
In Wirklichkeit haben natürlich alle nationalen Stereotype einen wahren Kern, die positiven wie die negativen. Die Franzosen sind freiheitsliebend und chauvinistisch, die Russen großherzig und chaotisch, die Engländer gentlemanlike und rücksichtslos. Und die Österreicher können, wie die allermeisten Menschen auf der Welt, so reizend sein wie unausstehlich.