"Wir erwarten uns einen durchschlagenden Erfolg", ist Günter Schreier zuversichtlich, "das erste Zwischenergebnis unseres E-Health-Projektes wird bereits diesen Sommer vorliegen." Und nach Abschluss des ehrgeizigen Unternehmens und flächendeckender Implementierung des telemedizinischen Konzepts in den klinischen Alltag würde allen Menschen mit einem Herzschrittmacher zumindest in der Steiermark viel Aufwand abgenommen und dadurch mehr Lebensqualität gegeben. Dann nämlich würden "erstmals nur noch die Krankendaten verschickt und nicht mehr die Patienten selbst", bringt es der Geschäftsfeldleiter in den Austrian Research Centers (ARC) Seibersdorf auf den Punkt. Doch worum geht es konkret?

Die Herzschrittmachertherapie zählt seit Jahren zu einer der Standardmethoden in der Behandlung von Herzerkrankungen wie Sick-Sinus-Syndrom, AV-Block oder Bradiekardie. Die Patienten müssen jedoch nach Implantation des Schrittmachers regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen absolvieren, um die Funktionalität und den Batteriestatus des Herzschrittmachers zu überprüfen. Diese können jedoch nicht bei niedergelassenen Ärzten durchgeführt werden, sondern müssen in eigenen Spezialambulanzen stattfinden.

Das Problem dabei ist, dass gerade für Menschen in ländlichen Regionen die Anfahrtswege zu diesen Spezialambulanzen oft mühsam sind. Abgesehen davon, dass die jeweiligen Ambulanztermine für Betroffene selten frei wählbar sind, sondern je nach Fabrikat ihres Schrittmachers auf bestimmte Tage fixiert sind. Denn es gibt sieben Hersteller, die alle eigene Systeme haben, die nicht miteinander kompatibel sind. Und dementsprechend auch ein jeweils anderes Prozedere und andere technische Gerätschaften für den untersuchenden Arzt notwendig machen, um über die Haut des Patienten mit dem Schrittmacher zu kommunizieren und die relevanten Daten des Implantats zu erhalten.

Um es für Patienten noch aufwändiger zu machen, müssen sie bisher mit den in den Spezialambulanzen erhobenen Daten auch noch in gewissen Abständen zu ihrem behandelnden Arzt in die Klinik zur Kontrolle. Also haben ARC Seibersdorf unter Projektleiter Schreier mit der Med-Uni Graz und der steirischen Krankenanstaltengesellschaft das vom Land Steiermark geförderte Projekt "H.Elga" mit dem Ziel, die integrative Versorgung von Herzschrittmacher-Patienten über diese institutionellen Grenzen hinweg möglich zu machen, ins Leben gerufen. "H.Elga" steht dabei für "Herzschrittmacher. Elektronische Gesundheitsakte" und basiert auf IT-Lösungen des Tiroler Kompetenzzentrums Cemit (Center of Excellence in Medicine and IT).

Medizinische Webplattform

Das telemedizinische Konzept basiere laut Schreier auf einer Webplattform, die eine herstellerunabhängige Nachsorge ermöglicht. Organisatorische und technische Voraussetzungen wurden an verschiedene Schnittstellen zu anderen Institutionen und Akteuren geschaffen. Mehrere zentrale Datenströme sind relevant: Die Interaktion zwischen dem Patientenmanagement der Webplattform und dem Krankenhausinformationssystem (KIS) des lokalen Krankenhauses; die Integration von Daten des Schrittmacher-Programmiergeräts in das System; die Unterstützung der Datenübernahme aus der Webplattform in das KIS durch Archivierung elektronischer Berichte im zentralen KIS-Archiv und nicht zuletzt die Schaffung von Kompatibilität mit den unterschiedlichen Herstellersystemen.

Dieses telemedizinische Konzept wird derzeit in einer Studie geprüft. "Wir haben dazu 400 Herzschrittmacherpatienten in der Steiermark in die Untersuchung eingebunden", erklärt Schreier. Eine Hälfte wird nach dem bisherigen Nachsorgesystem betreut, die andere bereits mit der E-Health-Lösung: Die Daten der Patienten, etwa EKG und Batteriestatus, werden an niederschwelligen Einrichtungen nahe des Wohnorts erhoben und über die Webplattform von und mit den restlichen involvierten Ärzten, Datenbänken und Herstellerinformationen abgeglichen und analysiert. Das Projekt wird beim kommenden Kongress zum Thema E-Health ab 29. Mai in Wien vorgestellt (siehe Link).

"H.Elga" ist ein Konzept aus dem Projekt "MFN - Webbasiertes medizinisches Forschungsnetzwerk", das von Cemit koordiniert wird. Zahlreiche MFN-Initiativen mit einem Forschungsvolumen von mehr als 100 Millionen Euro werden derzeit von Cemit gemanagt. (Andreas Feiertag/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21./22. 5. 2008)