Zweimal hintereinander die gleichen? - Das kommt Sofia W. nicht ans Ohr. Bei der Auswahl an Ohrringen, die die Steuerberaterin in den vergangenen Jahrzehnten angesammelt hat, ist das auch gar nicht nötig: Mit ihrem Vorrat hält sie mindestens drei Monate aus: "Kein Tag ist wie der andere", sagt sie und lacht. "Das gilt auch für meinen Ohrschmuck."

Foto: derStandard.at/Nicole Bojar

An die hundert Ohrgehänge baumeln in ihrem Schlafzimmer an Schnüren und Pinnwänden - "Schmuck ist eben auch Innendekoration", sagt W. und zuckt mit den Schultern. Die bunten Perlen, die an filigranen Silberkettchen an ihren Ohrläppchen hängen, klimpern dabei leise. "Ich habe so viele Ohrringe - da war in diesem Raum für Bilder kein Platz mehr."

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W. trägt ihren exzentrischen Modeschmuck gerne zur Schau, die wahren Schätze bleiben meistens im Verborgenen: Silber- und Goldstecker, Trachtenschmuck, alles Erbstücke ihre Großmutter, bleiben meist in der Schatulle. "Die hole ich nur für heikle Kundentermine heraus", sagt W. "Manchen Leuten muss man mit einem unauffälligen Outfit gegenübertreten."

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In ihrem Beruf sei Seriosität eben oberstes Gebot, sagt W. Optisch vermittelt sie die mit Hosenanzügen und Bleistiftröcken, die sie mit Blusen in dezenten Farben kombiniert. "Ein langweiliger Dresscode", findet W. "Da macht ein Paar schräge Ohrringe schon viel her, damit setze ich Akzente."

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Lang hat sich die Mittfünfzigerin geweigert, sich Ohrlöcher stechen zu lassen. "In meiner Jugend fand ich Ohrringe schrecklich." Erst mit Mitte zwanzig hat sie zum ersten Mal in ihrem Leben Clips getragen: "Meine Schwester hat mir welche zum Geburtstag geschenkt. Ihr zuliebe bin ich damit ausgegangen."

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In den 80ern wurden die Clips immer größer und schwerer: "Manchmal hatte ich das Gefühl, die Ohren fallen mir gleich ab." Die Konsequenz: "Der Weg zum Juwelier, der meine Läppchen dann mit dieser Pistole durchlöchert hat." Damals war W. 32 Jahre alt.

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Seither hat sich W.s Ohrschmuck-Kollektion beträchtlich vermehrt: "Ein Paar Ohrringe kann nie verkehrt sein. Meine Freunde und Verwandten haben es also leicht, mir zum Geburtstag oder zu Weihnachten Geschenke zu machen." Auch selbst streift sie gern durch Modeschmuckgeschäfte, um am Laufenden zu bleiben.

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"Ich sage: Die 80er kommen zurück. Schulterpölster und stone-washed Jeans finde ich zwar furchtbar - aber die schweren Kaliber am Ohr, die gefallen mir. Die habe ich immer gern getragen, ich mag es, wenn es schlenkert und klimpert."

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Wie die riesigen Sonnenblumen-Clips in Gold: "Die waren eine Zeitlang meine ständigen Begleiter." Sie stammen vom ersten gemeinsamen Urlaub mit W.s Lebensgefährten: "Das war 1984. Wir haben eine Woche in Caorle an der Adria verbracht. Mit den Ohrringen habe ich die Erinnerung an diesen Sommer lange mit mir herumgetragen." Lieblingsohrringe hat W. aber nicht. "Da könnte ich mich nie entscheiden."

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Ein Faible für runde, spiral- oder schneckenförmige Ohrringe kann sie trotzdem nicht leugnen. "Das liegt an meinem kleinen Esoterik-Tick", erklärt W. und schmunzelt. Schöne Exemplare aus Silber hat sie von ihren Urlauben in Marokko, Tunesien oder Ägypten mitgebracht. "Ich liebe die Atmosphäre auf den Bazaren dort - und ich bin eine harte Verhandlerin", sagt W. mit einem Augenzwinkern.

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Schöner Schmuck muss nicht teuer sein, findet W.: "Auch um drei Euro bekommt man ganz tolle Ohrringe." Die wertvollsten Exemplare ihrer Sammlung sind zweifellos die Schmuckstücke ihrer Großmutter. "Nicht, dass ich sie schätzen lassen hätte. Hier geht es um ideelllen Wert. Der ist mit nichts aufzuwiegen."

Text und Fotos: Nicole Bojar

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