Eine "Wohnbaugenossenschaft für Gedanken" - das klingt wie ein Wolkenkuckucksheim, wie ein utopisches Luftschloss ohne Bodenhaftung oder Realitätssinn und existiert doch: Het Blauwe Huis (Das Blaue Haus) ist in Jiburg, einem der auf künstlichen Inseln situierten neuen Wohngebiete von Amsterdam, ungebetener Gast: Künstler, Architekten, Autoren und Forscher, die sich in ihrer Arbeit auf experimentelle Weise mit Communitys beschäftigen, hat Jeanne van Heeswijk eingeladen, dort temporär zu wohnen und "kleinmaßstäbliche Interventionen" durchzuführen. Ein umtriebiger Informationsknoten, der mit zunehmendem Interesse der Stadt auch in Gefahr gerät, ein instrumentalisierter Lückenbüßer zu werden.

In der Ausstellung Wann begann temporär? Frühe Stadtinterventionen und sanfte Stadterneuerung im Kunsthaus Muerz werden Initiativen vorgestellt, die Aspekte der Stadterneuerung und künstlerische Eingriffe miteinander verbinden. Wie die Frage im Titel verrät, geht es den beiden Kuratorinnen, Architektin Christiane Feuerstein und Kulturwissenschafterin Angelika Fitz, aber besonders darum, die innovativen Anfänge auszuloten und diese historischen Positionen aktuellen internationalen wie heimischen Strategien gegenüberzustellen.

Während in den 1960er-Jahren junge Architekturgruppen wie Haus-Rucker-Co, Coop Himmelb(l)au oder Zünd-Up vor dem Hintergrund von Mondlandung und neuen technologischen Möglichkeiten auf neue Räume und neue, veränderte Raumwahrnehmungen fokussierten, stand bei der Arena-Besetzung mehr das Wiederentdecken alter Bausubstanz, ihre Weiterentwicklung und Neunutzung im Vordergrund. "Dass es bis in die späten Sechziger die Tendenz gab, alte Bausubstanz abzubrechen, darunter auch die Otto-Wagner-Stadtbahnstationen, kann sich heute keiner mehr vorstellen", erzählt Feuerstein. Und auch die Fußgängerzone in der Kärntner Straße war eine "typisch wienerische Lösung", meint Fitz. Die Geschäftsleute sträubten sich, und so sperrte man im Zuge des U-Bahn-Baus die Straße erst ab und dann nie wieder auf. Zu den aktuellen heimischen Beispielen gehört Soho in Ottakring , eine künstlerische Initiative, die seit 1999 mit einem Kunst- und Stadtteilfestival versucht, die Wahrnehmung im und auf das Viertel zu ändern. Dass solche temporäre "Stadtteilimpulse" es vermögen, urbane Areale und ganze Grätzel zu (re-)vitalisieren, ist eine Tatsache, die auch Partner aus Wirtschaft und Stadtverwaltung zum Aufspringen veranlasst. (kafe / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24./25.5.2008)